Heimatverein Neuenkirchen

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Deckblatt
Deckblatt der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt vom
Stadtarchiv Rietberg
Karte 1800
Karte von Neuenkirchen um 1800
gezeichnet von Sanitätsrat Josef Stadler
zur Verfügung gestellt von
Martin Hamschmidt

1818

Die Abfassung der Chronik beginnt in 1818 unter dem Landesherrn Wilhelm, dem gnädigsten König von Preußen, der Provinz Westphalen, dem Regierungsbezirke Minden, dem Landräthlichen Kreise Wiedenbrück gehörig, hatte der Canton Neuenkirchen, wozu Varensell gehört, und der Canton Rietberg mit den Gemeinden Westerwiehe und Druffel in diesem Jahre als Landrath Gerstein, ferner Chr. Klinke als Cantonsbeamten, als Einnehmer H. Kersting, zum Polizeidiener Bern. Bender.

Einleitung Teil 1
Seite 1 der Einleitung 
der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg

 

Seite 2 der Einleitung 
der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg
Einleitung Teil 2

Unter den geistlichen Beamten fungierten 

  1. Herr Pastor Wenc. Wessels,
  2. Caplan Conr. Becker, 
  3. Vicar Bern. Brinkmann,
  4. Herm. Kersting (Küster).

Als Lehrer ist in Neuenkirchen Caspar Thewes und Anton Meyer, in Varensell Heinrich Kühlmann, in Westerwiehe Engelbert Figgemeyer, in Druffel Caspar Thewes.
Schulen finden sich in Neuenkirchen viere, nämlich eine jüdische und drei katholische, wovon zwei in der Bauernschaft liegen.


Zur Verrichtung des katholischen Gottesdienstes befindet sich eine Kirche hier, wovon der Thurm im Jahre 1803 niederstürzte (Blitzschlag!), und auf fürstliche Kosten wieder aufgebaut wurde. Zu gleicher Zeit gewann die Kirche durch ein sogenanntes Seitenschiff rund ein Drittel ihres Raumes dabei. Später, im Jahre 1811, wurden neue Stühle und neues Pflaster darin angelegt.

 

 Im Jahre 1819 wurde eine neue Bewappung daran vorgenommen, deren Kosten die zu diesem Kirchspiel gehörige Gemeinde deckte.

 

 

Kirche Neuenkirchen um 1905
zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv Rietberg

Die hier angesessenen Familien mosaischer Religion haben ebenfalls ihre Synagoge, welche sie aus eigenen Mitteln erbauen ließen; als Vorsteher davon ist J. Dreier, zu Rietberg wohnhaft.

Neuenkirchen zählt in diesem Jahr 

1.106 Seelen

Varensell

1.132 

Westerwiehe

1.029

Druffel

468

 

 

Häuserzahlen (Feuerstellen)

Scheunen/Schuppen

Neuenkirchen

180

92

Varensell

197

271

Westerwiehe

187

88

Druffel

74

77

 

 

Grundsteuer

Gewerbesteuer

Neuenkirchen

333 Rtlr. 16Sgr.

119 Rtlr. 14Sgr.

Varensell

524 Rtlr. 2Sgr.

34 Rtlr. 7Sgr.

Westerwiehe

510 Rtlr. 22Sgr.

25 Rtlr. 12Sgr.

Druffel

235 Rtlr. 5Sgr.

7 Rtlr. 8Sgr.

Rtlr=Reichstaler, Sgr=Silbergroschen

Die Haupterwerbszweige von diesen vier Gemeinden - vorzüglich der ärmeren Klasse - bestehen in Spinnerey und Garnhandel, bei vielen in Ackerbau und Viehzucht, bei wenigen in Handwerken, Frachtfahren und Detailhandel; der Zustand derselben ist mittelmäßig.


1824

Erstes genehmigtes Protokoll vom 24.Januar 1824:
Inhalt vorstehender Chronik wurde den in heutiger Sitzung versammelten Mitgliedern des Gemeinderaths von Neuenkirchen, Varensell, Westerwiehe und Druffel unter Zuziehung der Geistlichen Herren und Schullehrer, wie auch einiger bewährter Angesessenen dieses Kirchspiels vorgelesen, und nach abgehaltener Prüfung, da keiner etwas hinzuzufügen hatte, die Richtigkeit derselben, durch die eigenhändige Unterschrift attestiert. 

Unterschriften
Unterschriften aus der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt vom
Stadtarchiv Rietberg

 

Dem Cantonsbeamten Klinke wird ein Gehilfe beigegeben in der Person des Cantons-Adjunkten Werner Greßer. Der Banquier Jakob Löb Eltzbacher und der Wirth Franz Mumpro scheiden als Gemeinderäthe aus und werden ersetzt durch den Vollmeyer Adam Westhoff, genannt Spiekerwirth, und den Detailhändler Joseph Schultze. Der bisherige Cantonsbote Bender wird durch den seitherigen Unteroffizier Friedrich Hesse ersetzt. Zwei Nachtwächter werden eingesetzt: Conrad Kleinekorte und Anton Schumacher. Sie erhalten jeweils 17 Rtl. und 15 Sgr..

Der bisher dahier bestehende alte Brauch, nach welchem die Nachbarn der Verstorbenen die Gräber zur Beerdigung verfertigten mußten, ist in diesem Jahr abgestellt und die Einrichtung getroffen, das zwei hierzu bestimmte hiesige Einwohner gebraucht werden.    

In der Nacht vom 3. auf den 4. Februar ereignete sich dahier ein sehr ungewöhnlicher Windsturm, wodurch die Wohnungen der Eingesessenen Vinnebeck, Hölscher, Knevel, Diekhans und Jürgenschellert zu Neuenkirchen sehr beschädigt, zum Theil ganz entdacht wurden.


1827

Hier verdient, die in der Gemeinde Neuenkirchen auf den Vorschlag des Gemeinderaths getroffene Einrichtung hinsichtlich des Schulunterrichtswesens besondere Erwähnung. 
Es bestanden bisher in der Gemeinde Neuenkirchen 3 Unterrichts-Locale, nämlich eins in der Küsterey, ein zweites bei dem Zweitäger Laureck, Nr. 100, das dritte bey'm Halbmeyer Kleinetobulte, Nr. 129. In dem ersten wurde von dem Schullehrer Thewes morgens Unterricht gehalten. Nachmittags ertheilte der Thewes in der zum Kirchspiel gehörigen Gemeinde Druffel Unterricht, wogegen in den beiden Bauernschaftsschulen der Lehrer Ant. Meyer unterrichtete.


1828

Der als Pfarr-Vicar seit 5 1/2 Jahren hier angestellt gewesene Heinrich Hörster, gebürtig aus der Gemeinde Sende, starb am 19. July d. J. in Folge eines 2 Jahre angehaltenen Blutauswurfes, in einem Alter von 38 Jahren, in dem der Verlust dieses pflichttreuen Pfarrgeistlichen von sämtlichen Pfarrkindern beklagt wurde.

Wetter 1828
Wetter 1828 aus der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt vom
Stadtarchiv Rietberg

 


1829

Johann Heinrich Maasewerd, Heuerling bey'm Colon Flüschenjürgen in Druffel starb in Folge einer Verletzung am Fuße. Derselbe ist neuhlich unweit seiner Wohnung von einem Schäferhunde angefallen, und der Hirt, welcher den Hund zur Abwehrung werfen will,  trifft diesen Menschen mit der Schärfe seines Schäfer-Staabes unten am Fuße; ungeachtet auch ärztliche Hülfe angewendet wurde, so starb der Maasewerd nach vierzehn Tagen in einem Alter von 61 Jahren.


1831

Das Kalte- oder Wechsel-Fieber graßierte dahier in diesem Sommer von Haus zu Haus und in manchen Familien blieb davon Keiner verschond.
Die sich immer mehr nähernde und schon bis Magdeburg vorgedrungene Cholera, welche aus Asien herübergekommen und in Europa schon viele Tausende hingerafft hat, verursachte auch hier Schrecken. Auf höhere Anordnung wurden wöchentlich Bittage gehalten, um von der Vorsehung die Abwendung dieser Seuche zu erflehen. Besondere Bezirks- und Orts [...] sind errichtet, um auf Reinlichkeit und ordentliche Lebensweise als das beste Schutzmittel gegen diese Krankheit einzuwirken.

Durch aufgebrachte freiwillige Geldbeyträge und geleistete Arbeiten brachte das Dorf Neuenkirchen in diesem Jahre eine Wasserleitung zu Stande, welche aus dem Wappel-Bach oberhalb Hessen Colonate gespeiset wird, vor dem Dorfe den schon früher bestandenen sogenannten Dorfgraben einnimmt und in Verfolg desselben nordseits des Dorfes in den Wappel-Bach wieder einmündet. Durch die Anlegung des Staues und der erforderlichen Goßen, sowie als Grundentschädigung ist jetzt schon ein Kostenaufwand von [...] Rthr. herbeiygeführt, der jedoch, bey den nicht auslangenden Beyträgen, zum Theil aus Privat-Vorschüßen hat bestritten werden müssen.

Als eine seltene Natur-Erscheinung verdient hier noch bemerkt zu werden, daß sich das Nordlicht am 7. Januar d. J. des Abends in seiner vollen Pracht zeigte und ein Wechsel der verschiedenartigsten Farben in einem sich bald hier, bald dort zeigenden Lichtscheine in einer geringen Höhe von der Erde gesehen wurde.


1832

Zum Beigeordneten des Kantonbeamten dahier ist nach dem Ableben des Kersting, der hiesige Einwohner, Oeco-nom Franz Spieker, durch ein Regierungs [...]  vom 30. April 1832 bestimmt.


1833

Heinrich Darming, 35 Jahre alt, Sohn der Ww. Darming bei Lückenotto in Varensell, Knecht bey'm Colon Agethenmeyer in Druffel, verunglückte am 12. Juni, von der Delker Mühle zurückkehrend und fand man ihn auf dem Wagen mit herabhängendem und blutigem Kopfe. Wahrscheinlich ist derselbe von der Epilepsie, womit er behaftet war, befallen und in Folge der Beschädigungen des Kopfes durch das Wagenrad gestorben.

Der 15jährige Sohn des Coloni Bantenewerd in Varensell, Namens Christian, verwundete am 27. July abends 10. Uhr durch einen unvorsichtigen Gewehrschuß die 66jährige Leibzüchterin Kuhljürgen zu Varensell, welche aus der Bantenewerds Wiese Heu zu entwenden beabsichtigte und zwar dergestalt, daß diese Person nach ca. 1 1/2 tägigem Leiden verstarb. 

Der Schulknabe Otto Schnitzer, 7 Jahre 11 Monate alt, Sohn des Kötters Schnitzer in Neuenkirchen, wurde am 20. October von einem Pferde aus [...] Unterleib geschlagen und starb in Folge deßen am 30. Oct.. 

Da in diesem Jahre ein großer Theil der unsicheren und polizeylich beaufsichtigten Personen festsaß, so waren der Diebereyen auffallend wenige.

Gemeinnützige Handlungen und Verbesserungen, öffentliche Feste, Erfindungen sind nicht aufzuführen.


1835

Das Jahr 1835 Seite 1
 
Das Jahr 1835
Seite 1 
der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg
Das Jahr 1835 Seite 2 
der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg


Das Jahr 1835 Seite 2

Die bisher interimistisch besorgte hiesige Küsterstelle wurde zu Ende des verflossenen Jahres dem Schulamts-Kandidaten Heinrich Mumpro, aus Neuenkirchen gebürtig, übertragen und demselben zugleich der Nachmittags-Schulunterricht übergeben.

Der seit 19 1/2 Jahren hier im Amt gestandene Pfarrer Wenzel Wessels starb am 2. Novbr. d. J. in einem Alter von 65 Jahren. Die Besorgung der Pfarr-Geschäfte wurde einstweilig dem Pfarr-Kaplan Becker dahier übertragen.
Die Druffelsche Schule wurde dem Schulamts-Kandidaten Kauppaschedag aus Varensell anvertraut.
Von dem hier verstorbenen Pfarrer Wessels sind folgende Vermächtniße fundiert:

  1. für die Bökampsche Armen-Stiftung hierselbst 300 Rtlr., um die Zinsen, gleich den übrigen ....... der Stiftung, zu verwenden
  2. für die christlichen Kirchspiels-Armen 100 Rtlr., deren Verwendung und Vertheilung der Pfarr-Geistlichkeit überlassen werden
  3. zum Heile seiner Seele eine stille Meße, wozu 20 Rtlr. ausgesetzt werden

Als Nachtrag zu dem Jahre 1835 verdient hier noch die in diesem Jahre erfolgte Wiedererscheinung des Halleyschen Kometen bemerkt zu werden. Dieser Komet wurde erst, nachdem er schon seit dem 22. August d. J. durch Fernrohre an verschiedenen Orten beobachtet worden war, den 11. October Abends 6 1/2 Uhr in hiesigem Orte gesehen.

Auszug aus "www.wappswelt.de"

Der Halleysche Komet

1705 sagte Edmond Halley unter Verwendung von Newtons neu formulierten Bewegungsgesetzen voraus, das der Komet, der 1531, 1607 und 1682 gesichtet wurde, 1758 wiederkehren würde (was auch, leider nach seinem Tod, geschah). Der Komet trat tatsächlich wieder wie vorhergesagt auf und wurde später zu seinen Ehren nach ihm benannt.

Die durchschnittliche Periode von Halleys Umlauf beträgt 76 Jahre, aber man kann die Daten seines Erscheinens nicht durch einfaches Abziehen eines Vielfachen der 76 von 1986 berechnen. Die Anziehungskräfte der größeren Planeten verändern seine Bahn von jedem Umlauf zum nächsten. Nichtgravitative Effekte (wie Reaktionen von Gasen, die in der Nähe der Sonne „weggekocht“ werden) spielen ebenfalls eine wichtige, wenn auch kleinere Rolle bei der Veränderung des Orbits. Zwischen den Jahren 239 v.Chr. und 1986 n.Chr. schwankte die Periode zwischen 76,0 (1986) und 79,3 Jahren (wie 451 oder 1066). Die nächsten Perihelpassagen zur Zeit Christi fanden 11 v.Chr. und 66 n.Chr. statt. (Kein Ereignis während der Lebenszeit Christi). Bekanntestes Auftauchen war 1066 zur Zeit der Schlacht von Hastings (als die Normannen England eroberten; Anm. d. Übs.), dokumentiert auf dem berühmten Bayeux-Gobelin.

Halleys Orbit ist gegenläufig und um 18 Grad zur Ekliptik geneigt. Und ist, wie der aller Kometen, stark exzentrisch.

Nur drei Kometen wurden von Raumsonden besucht. NASAs ICE durchquerte den Schweif des Kometen Giacobini-Zinner im Jahre 1985; der Komet Grigg Skjellerup wurde 1989 von Giotto besucht. 1986 besuchten fünf Raumsonden aus der UdSSR, Japan und der Europäischen Gemeinschaft den Halleyschen Kometen; ESAs Giotto erlangte dabei Nahaufnahmen von Halleys Nukleus (oben und rechts).

Der Nukleus des Halleyschen Kometen ist annähernd 16x8x8 Kilometer groß.

Im Gegensatz zu früheren Erwartungen ist Halleys Nukleus sehr dunkel: seine Albedo liegt bei gerade einmal 0,03, was ihn dunkler als Kohle macht und damit zum dunkelsten bekannten Objekt im Sonnensystem.

Die Dichte von Halleys Nukleus ist sehr niedrig: ungefähr 0,1 g/cm³ deuten an, das er sehr wahrscheinlich porös ist, vielleicht, weil er weitestgehend aus Staub besteht, der nach dem Verdampfen von Wasser und Gasen übriggeblieben ist.

Halley ist fast einzigartig unter den Kometen, weil er sowohl groß als auch aktiv ist und eine sehr bestimmte, regelmäßige Umlaufbahn besitzt. Dies machte ihn zu einem vergleichsweise leichten Ziel für Giotto und andere, er dürfte aber nicht gerade repräsentativ für alle Kometen sein.


1836

Die, seit dem Ableben des Wenzel Wessels, erledigte hiesige Pfarrstelle wurde, gemäß Verfügung des Hochwürdigen General-Vicariats Paderborn vom 5. Septbr. 1836, dem seitherigen Pastor der Neustadt Warburg, Anton Victor Austrup, übertragen. Die Collations-Urkunde wurde nach Eingang des Königlichen Placets, vom Bischof Friedrich Clemens in Paderborn am 7. Januar 1837 ausgefertigt, die Investitur am 22. Febr. von dem General-Vicar und Dom Dechanten Fr. Drüke ertheilt und die förmliche Einsetzung am 2. März 1837 vorgenommen.

In diesem Jahre ließ sich dahier der Wundarzt I. Klasse und Geburtshelfer Salomon Kemper, von hier gebürtig, nach den zu Berlin vollendeten Studien, nieder und erfolgte deßen Vereidigung am 12. Decbr. 1836 bey der Landräthlichen Behörde zu Wiedenbrück

Seit Anfang April d. J. bestand in Neuenkirchen eine Spinnschule, unter dem Vorstande des Kaufmanns Arnold Stadler, welcher, sehr uneigennützig, das Local hinzu hergab und manches Opfer brachte. Bei der leider sich gezeigten wenigen Theilnahme und bei der Absicht mehrerer einflußreicher Personen, daß die Einführung, feines Garn zu spinnen, für hiesige Gegend nicht vortheilhaft sey, bestand die Spinnschule nur bis zu Herbst 1836, zu welcher Zeit solche nach Wiedenbrück verlegt wurde.


Haus Stadler nach 1905
zur Verfügung gestellt von Josef Gräbener

Die diesjährige Ernte dahier ist im Ganzen nur mittelmäßig zu nennen. Der Roggen hatte durch den späten Frost sehr gelitten und stand dünn. Der Buchweizen, welcher ebenfalls sehr dünn stand und der von dem lange anhaltenden Regen gelitten hatte, ist noch ziemlich kornreich ausgefallen. Die Kartoffeln-Ernte war ergiebig. Über die Heu-Ernte ist eben nicht zu klagen.


1837

Am 26. December starb, hier allgemein bedauert, der Wundarzt 1. Klasse und Geburtshelfer Salomon Kemper in einem Alter von 25 Jahren. 

Am 3. August ertrank der zweijährige Knabe des Müllers Ulrich in dem Mühlenteiche der Pasgängers Mühle beim Entenfang in Westerwiehe. 

In der Nacht vom 22. /23. August stürzte der Colon Heinrich Kriemann in Druffel, von dem Boden seines Hauses, zerschmetterte den Hirnschädel, zerbrach beide Beine und starb in der folgenden Nacht. 

Den 30. October Abends wurde Christoph Berenscord Nr. 120 in der Gemeinde Neuenkirchen beim Schleichhandel auf dem Colonate des Johann Liemke bei Kaunitz, durch den Grenzaufseher Sokolowski erschossen.

Da der Handel großen Theils sich in den Händen, der sich immer noch mehrenden Schmuggeler befindet, so ist derselbe nur schlecht zu nennen. Möchte doch der so lange erwartete Anschluß des Lipperlandes an den Zollverband, diesem Unfuge recht bald ein Ende machen. Der Garnhandel war in diesem Jahre sehr flau.

Die Feier des Gottesdienstes in der hiesigen Kirche hebt sich immer mehr und wurde durch Einführung neuer Gesangbücher verbeßert. Ebenso blieben nicht die Schulen zurück und beeiferten sich auch die Lehrer, den Unterricht immer mehr zu heben, nur vernahm man häufig Klagen über die geringen Leistungen der Nachmittagsschule zu Neuenkirchen. Es wäre daher, so wie überhaupt zu wünschen, daß die von der Königl. Hochl. Regierung anempfohlenen Schulprüfungen recht bald allgemein eingeführt werden möchten.

Der März war in der ersten Hälfte gelinde, den 18. und 19. kam Schnee, den 25. und 26. kam sehr starker Schnee und Frost; der Schnee blieb bis zum 29. liegen, wo er fast an einem Tage verschwand. Den 5., 6. und 7. April schneite es fast unaufhörlich und es fiel eine solche Maße Schnee, als er seit dem ziemlich kalten Winter von 1829 auf 1830 nicht gesehen worden war. Die Wege waren zugeweht und an den Stellen, wo der Wind den Schnee nicht wegtreiben konnte, lag er 3/4 bis 1 Fuß hoch. Den 8. und 9. schneite es noch immer fort. Die Straßen waren nicht mehr zu passieren, der Schnee lag an vielen Stellen 4-6 Fuß und noch tiefer, so daß überall Leute aufgeboten werden mußten, den Schnee hinweg zu räumen. Mehrere Postwagen blieben im Schnee stecken und die Fortschaffung derselben konnte nur durch die großen Anstrengungen der, von den Behörden requirierten, Arbeiter erfolgen. Kleinere Flüße waren ganz zugeweht,z.B. den Sennebach konnte man nicht mehr von den angränzenden Grundstücken unterscheiden, obschon er sonst nicht zugefroren war; er mußte sich durch die Seitengräben einen Ausweg machen und ein anderes Bett wählen. Der Wind blies in diesen Tagen aus Nord, Nordost und Ost. Den 10. ging der Wind durch West, nach Süd, und es fing allmälig an zu thauen, erst nach Verlauf von acht Tagen konnte diese große Schneemasse ganz verschwinden.
Den Landmann setzte diese unerwartete Witterung sehr in seiner Arbeit zurück und wurde um so drückender, als der Futtermangel mit jedem Tage zunahm.
Am übelsten waren die kleinen Vögel daran, als Bachstelzen, Schwalben und Buchfinken; namentlich die letzteren waren so zahm, daß man sie oft mit den Händen aufnehmen konnte, sehr viele sah man vor Hunger sterben, besonders am 9ten und 10ten. Die Schwalben, derer mehrere schon vor vierzehn Tagen wiedergekommen waren und noch vor einigen Tagen im Schneegestöber herumflatterten, sah man nicht mehr; wahrscheinlich hatten sie den Hungertod gefunden. Bachstelzen waren so außerordentlich selten, daß man lange befürchtete, sie wären ganz ausgestorben.


1838

Ehe wir nun zu den Ereignissen des Jahres 1838 schreiten, verdient hier noch eine Begebenheit, welche für den hiesigen Ort von Bedeutung war und bisher in dieser Chronik übersehen worden, bemerkt zu werden.

Zu Anfang des Jahres 1822, nachdem kurz vorher durch die Anlegung einer neuen Chaussee von Bielefeld über Gütersloh und Wiedenbrück nach Lippstadt, die Hauptstraße von Berlin nach den Rheinprovinzen, welche früher über Neuenkirchen führte, von hier weg und über Gütersloh und Wiedenbrück verlegt worden war, wurde der seit langen Jahren über hier führende Postcours von Berlin nach dem Rhein dem hiesigen Orte genommen und über Gütersloh und Wiedenbrück verlegt, wodurch Neuenkirchen, namentlich durch die Verlegung der Hauptstraße einen unberechenbaren Verlust erlitt.
Der Postcours von Caßel nach Münster verblieb unserem Orte indeß noch bis zum ersten Juni 1833, wo derselbe ebenfalls von hier weggenommen und über Delbrück und Rietberg verlegt wurde; ebenso ging einen Monat später, die bis dahin über hier führende Reitpost ein, welche mit dem ersten Juli desselben Jahres (1833) aufgehoben wurde.
Die bis zu der Zeit hier bestandene Postexpedition verblieb auch noch ferner, und statt des Verlustes der durchgehenden Posten wurde von dem Königlichen General-Postamte zu Berlin eine wöchentlich zweimalige Cariolpost von Lippstadt über Rietberg nach Neuenkirchen und retour und eine wöchentlich dreimalige Botenpost von Neuenkirchen nach Rietberg, tour und retour eingeführt.

Der seit Anfang des Jahres 1825 in hiesigem Orte als Cantonsbeamte fungierende Carl Klee, der wegen seiner Rechtschaffenheit sehr geachtete Mann, wurde mit dem ersten May d. J. als Beamter nach Brakwede, mit einer Gehaltsverbesserung von c. 200 Rtlr., versetzt, und in die durch den Abgang erledigte Cantonsbeamtenstelle, rückte der bisherige Cantonsbeamte Bracksiek zu Delbrück ein, welcher aber schon mit dem 1ten July deßelben Jahres nach Verl versetzt wurde, wohin nun auch der seit dem Jahre 1807 hier bestandene Sitz des Cantonsbeamten verlegt wurde. Die Gemeinden Neuenkirchen und Varensell, welche bis dahin zum Canton Neuenkirchen gehörten, wurden dem Canton Rietberg, und die Gemeinde Oesterwiehe, welche zum Canton Rietberg gehörte, wurde dem neuen Canton Verl zugetheilt.
Zu Rietberg fungierte als Cantonsbeamter der Bürgermeister Heinrich Seppeler. Die Local-Verwaltung der Gemeinden Neuenkirchen und Varensell wurde dem bisherigen Beigeordneten des Cantons Neuenkirchen, Franz Spieker mittelst Regierungsbeschlußes vom 25ten Juni übertragen und fand deßen Einführung als Ortsbeamter am 10ten August statt.

Am 20ten Januar ließ sich dahier der praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Dr. Robert Marcus aus Soest nieder.


1839

Der bisher in hiesigem Orte als Post-Expediteur fungierende Otto Wiemann, gebürtig aus der Gemeinde Varensell, starb am 18ten October dieses Jahres in einem Alter von beinahe 65 Jahren. Die hierdurch vacant gewordene Königl. Postexpedition wurde dem Ortsbeamten Franz Spieker vom 1sten December d. J. ab übertragen.

Der Handel war im allgemeinen nur mittelmäßig zu nennen und namentlich der Handel mit Spinnereiwaren durch den Schleichhandel sehr herabgedrückt. Wenn gleich auch die Königliche Regierung alle möglichen Mittel anwandte zur Abstellung dieses verderblichen Schleichhandels, als z. B. die Errichtung eines Land-Polizei-Commißariats für den Kreis Wiedenbrück mit einem Polizei-Commissair und zwei Sergeanten, welche nur über die des Schleichhandels verdächtigen Individuen Controlle zu führen hatte, und die Verstärkung der Grenz-Aufsichtsbeamten durch Linien-Militär, so konnte doch diesem Unfuge noch nicht gesteuert werden.

Am 14ten Februar des Abends zwischen 6 und 7 Uhr wurde der praktische Arzt und Geburtshelfer, Licentiat Fr. Fischeraus Rietberg in der Nähe Berenscord Nr. 120 in der Gemeinde Neuenkirchen tod gefunden, derselbe war wahrscheinlich in Folge eines unglücklichen [?] Zufalls gestorben.

Der hiesige Kaufmann Arnold Stadler schenkte der Kirchengemeinde, behuf Umtauschung der auf dem hiesigen Kirchthurme sich befindlichen kleinen Glocke, welche bereits sehr abgenutzt war, gegen eine neue Glocke, 25 Thaler Preuß. Courant. Die vorhin genannte Glocke, 797 Pfund schwer, wurde mit noch zwei anderen kleinen Glocken von 308 resp. 187 Pfund Gewicht gegen eine neue, von dem Glockengießer Alexius Petit in Gescher im Jahre 1836 gegoßene und 1046 Pfund schwere Glocke umgetauscht und wurden die Kosten aus den von dem Stadler geschenkten 25 Thalern bestritten. 
Diese neue Glocke hat den Ton "Gis", wurde am 7. Juli von dem Dechant Joseph Raulf aus Rietberg feierlich eingesegnet, erhielt von dem bei dieser heiligen Handlung als Pate fungierenden Lehrer Caspar Thewes den Namen "Caspara" und wurde am anderen Tage den 8ten jusdem auf den Thurm gebracht. Die alte 797 Pfund schwere Glocke hatte folgende Inschrift.

Der edle und erenthafte Christoffer VANF.ULLE itziger Droste tzum Retberg.
Der erbar undt vorsichtige Joannes Hubmann itziger Rentemeister.
AN:Do.1588. Meister Hermann Leuck Klochgengeter tzu Widenbrugge. N. Strotman Tempelerer [?] to Nüenkerken: Otto Vaget.

Die beiden kleineren Glocken hatten seit etwa 30 Jahren auf dem Thurm als Uhrglocken gedient, waren vormals auf dem Schloß bei Rietberg und wurden beim Abbruche deßselben der hiesigen Kirche geschenkt.

Für den neuen Leichenhof wurden in diesem Jahre ein steinernes Kreutz mit Postament und zwei steinerne Thorsäulen aus einem Steinbrüche von Veldrom beschafft. Diese Gegenstände kosteten 110 Rtlr. und betrugen die Transportkosten 80 Rtlr.. Für die Ausarbeitung der Inschrift in das Postament, für das zur Errichtung dieser Gegenstände nöthige Material, als Mauersteine, eiserne Klammern, Kalk, Blei usw. für die zur Errichtung nöthigen Maschienerien und für die Arbeitslöhne zusammen, wurde gezahlt 79Rtlr.15 Sgr.. Die nöthigen Handdienste wurden von den Kirchspiel-Eingesessenen gratis geleißtet.

Das im Jahre 1830 bei Hessenhofe auf der Wapel angelegte Waßerstau, behufs der Waßerleitung durch den hiesigen Ort, wurde in diesem Jahre durch Anlage einer Freiarche (?) verbeßert; die Kosten betrugen 35 Rtlr. und wurden durch freiwillige Beiträge von den Dorfbewohnern gedeckt.


1840

Am 15ten October d.J. wurde zum ersten male der Geburtstag Sr. Majestät unseres allergnädigsten Königs und Herren Friedrich Wilhelm IV. gefeiert und fand an diesem Tage zugleich die feierliche Erbhuldigung für die westlichen Provinzen in der Haupt- und Residenz-Stadt Berlin statt.

Am 4ten October wurde der neue Leichenhof durch den Landdechanten Herrn Raulf zu Rietberg feierlich eingesegnedt und beehrte der Herr Kreis-Landrath und Ritter von Trzebiatowsky zu Wiedenbrück diese feierliche Handlung durch seine Gegenwart.
Den 13. October wurde der erste Todte, Heinrich Reinkemeier aus Westerwiehe, 73 Jahre alt, auf dem neuen Leichenhofe beerdigt.

Am siebenten des Monats Juni dieses Jahres, am ersten heiligen Pfingsttage des Nachmittags drei ein halb Uhr endete die ruhmreiche Laufbahn seiner Majestät unseres allergnädigsten Königs und Herrn FRIEDRICH WILHELM der III.
Zur fortwährenden Erinnerung an den tiefschmerzlichen Hintritt unseres Hochseeligen Herrn möge folgende Bekanntmachung d. dato Berlin den 9. Juni d. J. sowie zwei kostbare Dokumente, welche bezeichnet sind

"Mein letzter Wille"
"Auf Dich Meinen lieben Fritz"

hier ihren Platz finden.

Die Bekanntmachung und die zwei Dokumente im Original
zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv Rietberg
Mein letzter Wille Teil 1
Mein letzter Wille Teil 2
Mein letzter Wille Teil 3

Die schmerzliche Aufregung, die seit den gestrigen Nachmittagsstunden sich aller Gemüther bemächtigte, gibt jetzt erst die Faßung um einen Bericht über die letzten Augenblicke des vielgeliebten, von dem ganzen Volke betrauerten Monarchen zu erstatten.

Es folgen mehr als vier Seiten; der Protokollführer war vom Tod des Königs sehr ergriffen.

Auszug aus "www.sechsaemterland.de"

 

Friedrich Wilhelm III.

Friedrich Wilhelm III. von Preußen
geboren 3.8.1770 in Potsdam
gestorben 7.6.1840 in Berlin

16.11.1797 bis 7.6.1840 König von Preußen

 

Friedrich Wilhelm wird am 3.8.1770 in Potsdam geboren. Seine Eltern sind König Friedrich Wilhelm II. (1744 - 1797) und dessen zweite Gemahlin Friederike von Hessen-Darmstadt (1751 - 1805).

Die Jugend des Prinzen ist geprägt von seiner Abneigung gegen die Sittenlosigkeit bei Hofe, die zahllosen Affären des Vaters und die höfischen Intrigen. Er gilt als scheu, gehemmt, schüchtern, was sich auch in seiner äußerst verknappten Sprache, die gern auf Prädikat oder Subjekt verzichtet, ausdrückt.

Der Kronprinz heiratet am 24.12.1793 die für ihre Schönheit berühmte Luise von Mecklenburg-Strelitz (1776 - 1810). Er und seine Gemahlin Luise, die vom Volk verehrt wird, gelten lange als Traumpaar. Sie führen eine vorbildliche Ehe und haben acht Kinder, Kronprinz Friedrich Wilhelm wird 1795 geboren. Das Paar lebt im Kronprinzenpalais unter den Linden in Berlin. Auch als Friedrich Wilhelm III. 1797 König wird, behält er den eher bürgerlichen Lebensstil bei. Die Familie verbringt gern die Ferien im "Schloss" Paretz, wo sie am dörflichen Leben teilnimmt.

Nach seinem Amtsantritt verweist der König die Günstlinge und Mätressen des Vaters vom Hofe. Er leitet die Bauernbefreiung auf den Königlichen Domänen ein und beginnt zaghaft mit weiteren Reformen. Durch seine passive Haltung und verfehlte Neutralitätspolitik verursacht Friedrich Wilhelm III., der als Zauderer und von Skrupeln geplagter Herrscher gilt, 1806 die katastrophale Niederlage des preußischen Heeres gegen Napoleons Armee. Die königliche Familie flieht nach Königsberg. Ein Versuch Luises, Napoleon zur Milde zu bewegen, bringt ihr zwar endgültig Liebe und Verehrung des Volkes ein, bleibt aber wirkungslos.

Im Frieden zu Tilsit, der ohne den Verlierer verhandelt wird, wird Friedrich Wilhelm III. endgültig gedemütigt. Preußen verliert alle westelbischen Territorien und alle Erwerbungen der 2. und 3. polnischen Teilung. Außerdem müssen riesige Kontributionszahlungen an Frankreich geleistet werden.

Unter der Führung seiner Minister Freiherr vom Stein und Freiherr von Hardenberg und der Reformer von Humboldt, von Gneisenau, von Scharnhorst und anderer duldet der König Reformen, die unterschiedlich konsequent zuende geführt werden:
Verwaltungs- und Regierungsreform, Agrarreform, Heeresreform, Städteordnung, Finanzreform, Gewerbefreiheit, Bildungsreform.
Unter seiner Herrschaft werden Universitäten in Breslau, Berlin und Bonn gegründet. Die Freiheit und Einheit von Lehre und Forschung wird zum Gesetz.

1813 wird Napoleon bei Leipzig von den alliierten Heeren entscheidend geschlagen. Nach den Beschlüssen des Wiener Kongresses erhält Preußen 1815 fast alle verlorenen Gebiete zurück und macht weitere Gebietsgewinne.

Nach den Freiheitskriegen werden von Friedrich Wilhelm III. alle freiheitlichen und nationalen Bestrebungen unterdrückt. Die restaurativen Karlsbader Beschlüsse von 1819 , die eine Überwachung und Ahndung freiheitlicher Gesinnung, Buch- und Pressezensur vorsehen, werden in Preußen besonders rigide umgesetzt. Wissenschaftler, Schriftsteller und Politiker werden bespitzelt, Arndt und Schleiermacher verfolgt, Turnvater Jahn und Fritz Reuter werden verhaftet.

1824 heiratet Friedrich Wilhelm III., dessen geliebte Luise 1810 gestorben ist, Auguste Gräfin von Harrach (1800 - 1873). In seinen späten Jahren kümmert sich der König wenig um die große Politik. Er konzentriert sich auf den Versuch, Lutheraner und Calvinisten zu vereinigen und entwirft dafür eigenhändig Liturgien. In den katholischen Gegenden des Rheinlandes und Westfalens kommt es zu Auseinandersetzungen im Mischehenstreit, die zur Verhaftung des Erzbischofs Klemens August Freiherr von Droste zu Vischering führen.

In der Amtszeit Friedrich Wilhelms III. entstehen in Berlin die klassizistischen Schinkelbauten:
Neue Wache, Altes Museum, und Schauspielhaus.
Friedrich Wilhelm III. stirbt am 7.6.1840 in Berlin


1841

Unter der Rubrik "Unglücksfälle":
Am 8. August 1841 wurde der dem Trunke ergebene unverehelichte Ackerknecht Hermann Oestersporkmann zu Westerwiehe in einem Graben ertrunken gefunden und am 17ten deßelben Monats das 3 Jahre alte Kind des Eintägers Lütkehans zu Westerwiehe aus einem an der Wohnung des letzteren gelegenen Waßerbehälter entseelt hervorgezogen.

Unter der Rubrik "Verbrechen":
Am 11ten Juli 1841 hat sich die Ehefrau des Kötters Merschhemke genannt Lodenkemper zu Neuenkirchen, in der Nähe des Kötters Lodenkemper zu Varensell an einer Fichte erhängt, nachdem dieselbe schon einige Zeit früher die Merkmale von Geistesverwirrung an sich trug.

Nachdem sich durch den Abgang des Cantonboten bei Verlegung des Cantonorts, im Jahre 1838 nach Verl, die Nothwendigkeit schneller polizeilicher Aufsicht und Controlle, sowohl für das Dorf Neukirchen [Der Chronist schreibt nicht Neu(e)nkirchen] als die umliegende Bauernschaft herausgestellt hatte, wurde in diesem Jahre mit Genehmigung der Königl. Regierung zu Minden, für die Gemeinde Neukirchen ein Orts-Polizeidiener, mit einem jährlichen Gehalte von 25 Rthlr. nebst einer Dienstkleidung bei deßen Dienstantritte, in der Person des vormaligen Postboten Heinrich Körtling dahier, angestellt, und erfolgt die Besoldung desßelben aus der Orts-Gemeindekasse.


1842

Der bisherige Cantonbeamte Seppeler zu Rietberg wurde wegen mehrerer ihm angeschuldigten Dienstverletzungen auf seinen Wunsch entlaßen und die hier durch erledigte Canton-Beamtenstelle dem bisherigen Civil. Supernummerar Ludwig Pelizäus mittelts Regierungs Verfügung vom 20.November 1842, am 1sten December commißarisch übertragen worden.

Behufs eines zur Bestreitung der Kosten der für den Fall eines Krieges anzukaufenden Landwehr Kavallerie-Pferde ad 6000 Rthlr.;, welche in 9 Jahren aufgebracht werden sollen, sind pro 1842 von jedem Thaler Grundsteuer 6 Pfennige und von jedem Thaler Klaßensteuer 3 Pfennige erhoben.

Aus dem Jahre 1825 ist hier noch nachzutragen, daß der am 8. Januar dahier verstorbene Banquir Jacob Löb Eltzbacher laut Testament vom 14. December 1823 dem hiesigen Orte als Beihülfe zur Anschaffung eines Nachtwächters jährlich 12 Rthr.15 Sgr. auf ewige Zeiten vermacht hat.
Auch hat derselbe alle seine zu hinterlassenden Capitalschulden an Baaren in der Grafschaft Rietberg, welche die Summe von 15Rthr. (?) nicht übersteigen den Schuldnern, wenn sie in etwa dürftig sind, geschenkt.


 Haus Humann ehemals bewohnt von Jacob Loeb Eltzbacher
zur Verfügung gestellt von Maria Kunter

 

Jacob Löb Eltzbacher,
ein Praetendant von gutem Herkommen und ansehnlichem Vermögen

Jacob Löb Eltzbacher wurde 1755 im fränkischen Oberelsbach geboren. Er heiratete am 20. November Frommet Levi, die Tochter des im gleichen Jahr verstorbenen langjährigen Vorstehers der Synagogengemeinde Neuenkirchen  Salomon Levi. Mit dieser Heirat trat Jacob Löb Eltzbacher erstmals namentlich in Neuenkirchen in Erscheinung. Die Ehe mit Frommet, später Friederika Levi, war kein Zwangsverlöbnis, sondern eine dauerhaft Verbindung, aus der neun Kindern hervorgingen.

Um den dauerhaften Aufenthalt in Neuenkirchen zu ermöglichen, stellte schon im Juli 1780 der Rietberger Landsherr Fürst Wenzel Anton von Kauniz-Rietberg auf Bitte von Salomon Levi eine Verfügung aus, mit der dem zukünftigen Schwiegersohn die Erteilung des landesherrlichen Schutzes zugesichert wurde.

Salomon Levi hatte für die Rietberger Rentenkammer (Einnahme- und Ausgabekasse der Grafschaft) eine Vermittlertätigkeit ausgeführt, indem er für die Bauern die Zahlung von Abgaben und Rückständen an die Rentenkasse vornahm. Diese Aufgabe ging nach seinem Tod auf Jacob Löb Eltzbacher über. Außerdem betrieb dieser vermutlich einen „Kramladen", in dem Produkte für die verschiedenen Lebensbedürfnisse der Landbevölkerung erhältlich waren.

Wenige Jahre später entwickelte er zusätzlich eine derart rege Geschäftstätigkeit im Garnhandel, dass im Jahr 1786 einige Gütersloher Garnhändler dagegen beim Grafen Bentheim-Tecklenburg in Rheda protestierten. Der Graf ließ daraufhin ein Gutachten vom Kanzleibeamten Goebel in Rheda erstellen, das zu folgendem Ergebnis kam:
Nur die Juden waren zum Glück der armen Christenspinner da; sie wandten sich an den mit Geld und Credit versehenen Juden Eltzbacher in Neuenkirchen [...]. Dieser nahm ihnen das einzeln gekaufte Garn ab und verschickte es , so waren die hiesigen Juden im Stande, das Garn von den Spinnern zu kaufen und gaben für das Stück ein oder zwei Pfennig mehr [...]. Ich bin kein Freund von Juden, aber ich muß bekennen, dass der Vorteil, den so viele einhundert arme und geringe Spinner dadurch gehabt und noch haben, mich erfreut hat und jeden rechtschaffenden Menschen erfreuen muß.
Weiter wird berichtet, dass durch den Einfluss des Jacob Löb Eltzbacher auch die Erlöse im Landhandel in den letzten Jahren konsequent gestiegen sind. So kostete ein Schaffell oder Kalbfell früher 9 oder 10 Groschen. Eltzbacher aber habe die Preise auf 18 Gr. hochgetrieben.

Jacob Löb Eltzbacher verstarb am 8. Januar 1825 und hinterließ seinen Erben ein beträchtliches Vermögen (Nach heutigen Maßstäben ein Millionenerbe). Die jüdische Familie Eltzbacher gehörte gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts zu den wohlhabensten in der Grafschaft Rietberg. Sie rangierten gleich nach dem Fürstenhaus.

Ein Enkel von Jacob Löb Eltzbacher mit demselben Namen gründete mit seinem Bruder Louis das Bankhaus Eltzbacher in Köln. 

Es wurden überhaupt in der ganzen Pfarre geboren 162 Kinder, davon waren 81 männlichen Geschlechts und 81 weiblichen Geschlechts; unehelich wurden geboren ein Knabe und zwei Mädchen. Gestorben sind 117 Personen und zwar 62 männlichen und 55 weiblichen Geschlechts. Getraut wurden 31 Paare.


1843

Einführung der Landgemeinde-Ordnung vom 31ten October 1841:
Die Wahl der von den früheren Gemeinderäthen vorgeschlagenen, von des Herrn Ober-Präsidenten Excellenz mittels Resirigts(?) vom 16ten December c. a. genehmigten Anzahl von Gemeinde-Verordneten, nämlich: für Neuenkirchen zwölf, für Varensell neun, für Westerwiehe zehn, und für Druffel sechs Gemeinde - Verordnete, geschah:

  1. in Neuenkirchen und Druffel am lten Februar c. a.
  2. in Varensell am 3ten und
  3. in Westerwiehe am 4ten Februar c. a

Es wurden gewählt:

  1. in NEUENKIRCHEN der Ortsbeamte Spieker, Kaufmann Arnold Stadler, Höcker Johann Ellendorf, Lehrer Caspar Thewes, Gastwirth Arnold Hillenkamp, Gastwirt Otto Diekhoff, Vollmeier Adam Westhoff, Halbmeier Humann, Halbmeier Setter to Bulte, Zweitäger Kreutzheide, Zweitäger Huchtöns und Zweitäger Theodor Strüwer.
  2. in VARENSELL, Vollmeier Franz Darming, Halbmeier Großerüscher, Eintäger Schrödershenrich, Halbmeier Lüning, Halbmeier Hemkendreis, Halbmeier Meier to Krax, Halbmeier Bremhorst, Halbmeier Hartkamp und Zweitäger Berkenpeter.
  3. in WESTERWIEHE, Vollmeier Franz Meier to Pickert, Vollmeier Lefeld, Halbmeier Großepähler, Halbmeier Kühlmann, Halbmeier Beckmann, Zweitäger Ortsbeamte Brüggenjürgen, Zweitäger Bökamp, Eintäger Diekjürgen, Eintäger Tolljürgen und Halbmeier Mertemeier.
  4. in DRUFFEL, Vollmeier Meier zur Hardt, Halbmeier Ortsbeamte Agedemeier, Halbmeier Wittreck, Halbmeier Göbeln, Vollmeier Druffelsmeier, und Halbmeier Jürgensteinlage.

Die Bestätigung dieser Wahlen erfolgte durch eine Landräthliche Verfügung vom 17ten Februar c. a. Nr. 882 und wurden durch dieselbe Verfügung zugleich die neuen Gemeinde-Vorsteher ernannt, und zwar

  1. für Neuenkirchen der bisherige Ortsbeamte Franz Spieker;
  2. für Varensell der Vollmeier Franz Darming;
  3. >für Westerwiehe der Vollmeier Franz Meier to Pickert;
  4. für Druffel der Vollmeier Ferdinand Druffelsmeier.

Zu Stellvertretern der Gemeinde-Vorsteher wurden durch die obige Verfügung ernannt:

  1. in Neuenkirchen der Gastwirth Otto Diekhoff;
  2. in Varensell der Halbmeier Meier to Krax;
  3. in Westerwiehe der Halbmeier Großepähler;
  4. in Druffel der Halbmeier Agedemeier.

Die Einführung und Verpflichtung der Gemeinde Vorsteher, sowie die Einführung der Gemeinde-Verordneten geschah am 6ten Maerz c. a. durch den Herrn Landrath von Trzebiatowski.

Am 15ten Maerz  c. a. wurden die Amtsverordneten durch die Gemeinde-Verordneten gewählt und wurde diese Wahl durch eine Landräthlige Verfügung vom 20ten jusdem bestätigt. Gewählt wurden:

  1. für Neuenkirchen, der Höcker Johann Ellendorf;
  2. für Varensell, der Halbmeier Hemkendreis;
  3. für Westerwiehe, der Zweitäger Bökamp;
  4. für Druffel, der Vollmeier Meyer zur Hardt.

Der seit dem 1sten December 1842 als Kantonbeamte fungirende Ludwig Pelizäus wurde mittelst Verfügung der Königlichen Regierung zu Minden vom 17ten Maerz  c. a. zum kommißarischen Amtmann ernannt und am 3ten April c. a. durch den Herrn Landrath in dieses Amt eingeführt.


1844

Der sich hier seit dem 20. Januar 1838 als praktischer Arzt niedergelaßene Dr. Marcus ist im October d. J. nach Soest verzogen. 

Die Häuserzahl hat sich in der Gemeinde Varensell um 1 und in Westerwiehe um 2 Gebäude vermehrt. (In Neuenkirchen und Druffel sind demnach keine Häuser gebaut worden). 

Am 21ten Januar d. J. wurde der Colon Bertling aus Druffel in dem Hause des Wirths Stripens Nr. 8 dahier auf einem Stuhle sitzend todt gefunden. Die Ursache des Todes war ein in Folge des übermäßigen Branntweingenußes erhaltener Schlagfluß.

Durch einen sich gebildeten Verein wurde das Tractiren (zum Besten geben) bei Beerdigungen und Seelmeßen abgestellt.


1845 

Der Knecht Otto Winter bei Großerüscher in Varensell ertrank am 7. Juli beim Baden im Wappelbach unweit dem Kötter Wilde in Varensell.

Margaretha Rodenjohannshenrich aus Bornholte, Magd bei Heilf in Westerwiehe, gebar am 12. December c. a. heimlich einen Knaben, welchen man todt in ihrem Bette fand. Sie wurde wegen Verheimlichung der Schwangerschaft und Verdacht des Kindermordes eingezogen.

Die Altäre in der Kirche wurden neu angestrichen und vergoldet und die Kirche geweißt; die Kosten wurden durch Sammlung freiwilliger Beiträge von den Eingepfarrten größtentheils gedeckt.

Erndte: [...] zeigte sich unter den Kartoffeln eine hier bisher noch nicht gekannte Krankheit, welche bald mehr oder weniger alle Kartoffelfelder befiel. Die Krankheit zeigte sich erst im August, und in wenigen Tagen starb fast alles Kartoffelkraut ab und fingen die Knollen in der Erde an zu faulen. Am meisten hatten die blauen Kartoffeln gelitten. Der Ertrag der Kartoffelerndte war so schlecht, wie er seit langen Jahren nicht erlebt worden und fiel unter die Hälfte, an vielen Stellen unter ein Drittheil der erwarteten und gewöhnlichen Erndte. 

Der Januar hatte meist gelinden Frost mit Schnee bis in die letzten Tage, wo die Kälte heftiger wurde. Der Februar hatte durchgehends strenge Kälte und viel Schnee. Noch strenger war der Maerz bei sehr tiefem Schnee und stieg die Kälte am 13ten bis zu -16° Reaumur. [ca. 20° Celsius] Am 22ten ließ die Kälte plötzlich nach und es trat Thauwetter ein. Die ältesten Leute erinnerten sich nicht, einen so anhaltenden, dabei strengen, Winter erlebt zu haben, und mag derselbe wohl nur von dem strengen Winter des Jahres 1740 an Kälte und Dauer übertroffen worden sein.


1846 

Ein sehr ansteckendes Nervenfieber graßierte im Kirchspiele fast das ganze Jahr hindurch. Am stärksten wüthete diese Krankheit in der Gemeinde, und insbesondere im Orte Neuenkirchen selbst, wo sie fast in den meisten Häusern zum Ausbruch kam; dann folgten die Gemeinden Westerwiehe und Varensell und blieb die Gemeinde Druffel davon am meisten verschont.
Diese Krankheit, welche vorzugsweise die ärmeren Klaßen heimsuchte, war so ansteckend, daß in vielen Häusern die ganze Familie davon ergriffen ward; dagegen jedoch nicht sehr bösartig, so daß im Verhältniß der vielen Erkrankungsfälle, im Allgemeinen nur wenige daran starben.

Am 21. October des Morgens wurde Bernhard Kuhlmann, Colon Großerüscher in Varensell, vor dem bei Heßenhof sich befindlichen Stauwerke, im Wappelbache ertrunken gefunden. Derselbe hatte sich im kranken Zustande, nachdem schon Tage vorher Symptome des Nervenfiebers an ihm wahrgenommen wurden, des Morgens heimlich aus seinem Bette entfernt und wahrscheinlich in einem Anfall von Wahnsinn ertrunken. 

Am 11. December wurde der Colon Strotsteffen aus Oesterwiehe des Morgens etwa 200 Schritte oberhalb der Beckhoffs Mühle in Varensell am Wappelbache todt gefunden. Derselbe war, wie vermuthet ward, in Folge übermäßigen Brantweingenußes vom Schlage gerührt worden. 

Als Nachtrag wird noch vermerkt, daß die seit dem 1ten September 1840 täglich zwischen Neuenkirchen und Wiedenbrück coursierende Kariolpost mit dem 15ten November aufgehoben wurde und wurden statt deßen die Personenposten, 1 von Paderborn nach Wiedenbrück und 2 von Wiedenbrück nach Paderborn von diesem Tage ab, über Neuenkirchen geleitet.


1847

Durch den vorjährigen Mißwuchs war ein allgemeiner Nothstand und eine so große Hungersnoth eingetreten, wie seit dem Jahre 1817 nicht mehr erlebt worden. Vom Staate wurden dieserhalb den dürftigen Gemeinden Vorschüße bewilligt, welche für die Gemeinden Neuenkirchen, Varensell und Westerwiehe für jede 150 Thaler und für Druffel 80 Thaler betrugen. Die Vorschüße, welche nach 2 bis 3 Jahren wieder zurückgezahlt werden sollten, wurden größtentheils zur Beschaffung von Saatkartoffeln für diejenigen Einwohner verwendet, welchen augenblicklich die Mittel zur Beschaffung derselben fehlten.
Zur Linderung der Hungersnoth wurden von vielen Einwohnern der Gemeinde Neuenkirchen im Monat Mai d. J. als eine außerordentliche Unterstützung circa 252 Taler durch freiwillige Beiträge aufgebracht, wofür die Armen dieser Gemeinde wöchentlich zweimal Brod ausgetheilt erhielten.

Bei einem Gewitter am 7ten Juli hatten besonders in der Gemeinde Neuenkirchen stellenweise der Buchweitzen, Hanf und selbst die Kartoffeln sehr durch Hagelschlag gelitten.


1848

Der Gutsbesitzer Herr Ludwig Tenge zu Niederbarkhausen erließ am 25ten März d. J. den pflichtigen Colonen in der Grafschaft Rietberg auf immer

  1. die sämtliche Heimfallsrente,
  2. die Hälfte der Handdienstgelder
  3. die in Folge der Ablöseordnung vom 13. Juli 1829 durch die Königliche General-Commißion zu Münster normirten hohen Ablöse-Preise resp. Renten für Bestialien wieder zu den frühern Reluctions [?] Preisen und zwar das Rind zu 4 Rthr., das fette Schwein zu 5 Rthr. und das magere Schwein zu 2 Rthr..

Am 24. März 1848 revoltierten Rietberger und Verler gegen ihren Gutsherrn. Am Abend des Margarethen-Marktes 1847 in Neuenkirchen hatte der Verler Amtmann Duve im Garten des Hillekampschen Gasthauses Tenge gewarnt, er möge sich im Verlschen in acht nehmen. Und der Referendar Müller hatte vielfach geäußert, wenn die Verler Bauern den Gutsherren packten, würden sie ihn totschlagen.

Völkerfrühling
Ausschnitt aus der Glocke vom 24.03.1968
zur Verfügung gestellt vom
Stadtarchiv Rietberg

 

Im Monat August ereignete sich ein schweres Gewitter. Dieses Gewitter fing etwa gegen 5 Uhr Nachmittags an und dauerte bis nach 9 Uhr Abends. Die Blitze zuckten in einem fort und war der Himmel fortwährend wie ein Feuermeer. Auf der Eisenbahn zwischen Rheda und Gütersloh zerstörte daßelbe den electro-magnetischen Telegraphen und wurden die kupfernen Leitungsdrähte an mehreren Stellen zerrißen und mehrere Stangen, worauf diese Drähte ruhten, zerschmettert. 

Am 6. März brannte das Wohnhaus des Meiers Baumjohann, genannt Strothmann, in Westerwiehe No. 99 ab.
Daßelbe war bei der Elberfelder Feuer-Versicherungs-Anstalt zu 5000 Rthr. versichert.

Am 30.November gegen 11 Uhr Abends brannte das Wohnhaus des Kötters Hermann Jakob auf der Stroth No.150 zu Neuenkirchen, auf dem Osthoffschen Colonate, fast total ab.


1850

Nachträglich wird noch bemerkt, daß in der Pfarre Neuenkirchen im vergangenen Jahr die natürlichen Blattern ausbrachen, von welcher Epidemie viele Menschen befallen wurden. Gestorben sind jedoch nur an dieser Krankheit 19 Personen. 

In diesem Jahr 1850 wurde die Bevölkerung durch ein furchtbares Verbrechen auf geschreckt. Den Verlauf der Untat hat der Chronist wie folgt festgehalten:

Ein furchtbahres Verbrechen Seite 1
"Ein furchtbares
Verbrechen" Seite 1 
aus der
Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg

 

"Ein furchtbares
Verbrechen" Seite 2
aus der
Original-Chronik
zur Verfügung gestellt 
vom
Stadtarchiv Rietberg

 

Ein furchtbahres Verbrechen Seite 1

Am 27. October d. J. wurde ein etwa 13 Jahre altes Mädchen, Namens Christina Siemer aus Varensell vermißt. Nach mehrtägigem vergeblichen Suchen wurde daßselbe durch Zufall am 3. November unweit des Colonates Puckert in Druffel in der Nähe des Wapelbaches todt gefunden. Die Leiche fand sich ganz nackt ausgezogen in einer Vertiefung mit etwas Laub bedeckt und lagen die Kleidungsstücke in der Entfernung von einigen Schritten von der Leiche in einem Bündel zusammengebunden. Die Leiche zeigte deutliche Spuren einer Ermordung. An beiden Fersen waren die Achilles Sehnen losgeschnitten und fand sich am Kehlkopfe eine Stecknadel bis auf den Knopf eingedrückt. Ein etwa 1 1/2 Fuß langer und 1 Zoll dicker Stock fand sich daneben, welcher an beiden Enden wie ein sogenanntes Krummholz zugeschnitten war und hatte es den Anschein, als ob die Leiche, indem dieser Stock als Krummholz gedient, durch beide Achilles Sehnen hindurchgesteckt, an einer in der Nähe stehende Fichte, ähnlich wie ein abgeschlachtetes Schwein aufzuhängen pflegt, aufgehangen gewesen sei. Die obducierenden Ärzte erklärten, daß dieses Mädchen auf die schändlichste Weise genothzüchtigt und hiernach erst durch Ersticken im Wasser getödtet worden sei. Das Losschneiden der Achilles Sehnen usw. sei erst nach erfolgtem Tode geschehen.
Aus der Untersuchung an Ort und Stelle ergab sich die unzweifelhafte Vermuthung, daß der Mörder dieses unglücklichen Mädchens am 27ten October, einem Sonntage, des Morgens früh, als daßselbe wahrscheinlich von der Kirche zurückgekehrt und alleine war, auf dem Kirchwege von Neuenkirchen, in der Nähe des Hofes des Schrödershenrich in Varensell aufgegriffen, gewaltsam eine Strecke von etwa 8 bis 10 Minuten von der Seite über das Darmingsche Colonat geschleppt und dann die schreckliche That verübt hatte.
Aus dem Hergange der Sache wie sie vorlag, mußte man schließen, daß diese That nur von einem verrückten Menschen verübt worden sei, wie sich solches auch bald bewahrheitete. Der Thäter wurde nach mehreren Wochen in der Person eines blödsinnigen jungen Menschen, Namens Heinrich W. aus Varensell ermittelt, in Haft gebracht und vor das Schwurgericht in Herford gestellt, wo er der That vollständig überführt, jedoch wegen Mangel an Zurechnungsfähigkeit freigesprochen und hierauf in der Irren-Anstalt in Marsberg untergebracht wurde.


1851

Am 17. April des Abends gegen 9 Uhr wurde etwa 4° über den Sternen im Fuhrmann, nach einem hellen Blitze bei heiterem Himmel, eine schöne Feuerkugel von ungefähr 1/4° Durchmesser gesehen, welche, nachdem sie einige Grade in nord nordwestlicher Richtung am Himmel durchlaufen hatte, mit einem etwa 1/2 Minute anhaltendem rollenden Donner, ähnlich dem Getöse eines vorbeifahrenden Eisenbahnzuges zerplatzte und sich in 3 bis 4 kleinen Feuerkugeln, welche sich noch eine kleine Strecke divergirend in derselben Richtung bewegten, auflösten. Ein Stück von diesem Aerolithen wurde noch an dem selben Abende in der Nähe von Gütersloh, von einem Landmann, der es niederfallen sah, aufgefunden. Daßelbe war nur einige Zoll tief in die Erde eingedrungen.
Durch Vermittlung des Dr. med. Stohlmann in Gütersloh wurde eins von diesen beiden Stücken dem Museum in Berlin übersandt. Das Gewicht eines dieser Stücke soll 2 3/4 Pfund betragen haben. Aus der Zwischenzeit der Explosion und des darauf erfolgten Knalles ließ sich die Entfernung auf 3 bis 4 Meilen in dem Augenblicke der Explosion schätzen. Die ganze Erscheinung währte etwa nur 2 bis 3 Sekunden.

Auszug aus "www.astroamateur.de"

Name des Meteoriten: Gütersloh
alias Meteorit Guetersloh, Meteorit Guetersloh
Datum des Falles: 17. April 1851, 20:00 Uhr
Fundort: Gütersloh
51° 55' N 08° 23' E
   
Gesamtgewicht des Meteoriten: etwa 1000 g
Anzahl der Stücke: 2
   
Typ: Steinmeteorit, H3/H4
Beschreibung
und Bild:
Nach Aufleuchten einer Feuerkugel und nachfolgenden Detonationen wurde einen Tag später ein Stein von etwa 1 kg gefunden. Ein Jahr später wurde ein kleinerer verwitterter Stein aufgefunden. Der Meteorit enthält Breccien und ist gasreich.
Die Hauptmasse befindet sich im Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität in Berlin.

1854

Nachtrag zu 1853:
Am 25. September erhob sich gegen Abend ein die ganze Nacht anhaltender Sturm, welcher den in diesem Jahre ungewöhnlich voll tragenden Obstbäumen sehr schadete, indem er das Obst zum großen Theile herunterschlug, auch mehrere Bäume entwurzelte.
Am 25. November fiel der erste Schnee. Der December hatte anhaltend Frost. 

In der Nacht vom 24ten auf den 25ten April war ein für diese Jahrzeit ungewöhnlich starker Frost eingetreten und die Kälte bis auf -6 Grad R. gestiegen [gefallen!]. Der Roggen, welcher schon etwas in die Höhe gewachsen war, hatte sehr gelitten. Der Oelsamen und die jungen Triebe des Holzes, vor allen der Eichen und der Buchen, waren erfroren und erkannte man den ganzen Sommer hindurch an den trockenen Spitzen und tristem Aussehen der Bäume noch die Folgen dieses Frostes. Der hierdurch entstandene Schaden war unberechenbar. 

Am 26. Juni d. J. starb in Varensell die unverehelichte, ca. 30 Jahre alte Catharina Baumewerd und zwar nach der Erklärung des Arztes an der <Wasserscheu> Tollwuth. Dieselbe war in der Woche zu Ostern von einem an der Kette liegenden Schäferhunde, indem sie diesem mit der Hand über den Rücken streichelte, gebißen worden. Der Hund hatte sich noch an demselben Tage von der Kette losgerißen und war davon gelaufen, ohne daß sein Verbleib ermittelt worden ist. 

Der am 22. Juni d. J. in Westerwiehe verstorbene unverehelichte Colon Everhard Mertenmeier daselbst, gründete in diesem Jahre in Westerwiehe eine Kapelle und Vikariestelle, indem er durch letztwillige Verfügung das ihm zugehörige Colonat Mertenmeier Nr. 77 in Westerwiehe nebst seinem Mobilarvermögen zu diesem Zwecke in der Weise vermachte, daß hiervon die Summe von 1000 Thaler zu dem Bau der Capelle und das übrige zu der Vikariestelle verwendet werden sollte.
Den Platz, worauf die Kapelle gebaut werden sollte, hatte er schon vorher bestimmt und geschenkt. Nach dem Testamente des Mertenmeier vom 25. Januar 1854 soll deßen Nachlaß mit Ausschluß von höchstens 1000 Thaler, welche zu dem Auf- und Ausbau der Kapelle benutzt werden können, zur Unterhaltung des Geistlichen bei dieser Kapelle, welcher in Westerwiehe wohnen soll, dienen. 

Zu Anfang des Januar d. J. hielt sich einige Zeit bei dem Heuerling Göke bei Druffelsmeier in Druffel ein Fremder auf, welcher in Vereinigung mit einem Sohn dieses Heuerlings mit Namen Heinrich Göke falsche Einthalerstücke aus Zinn gegoßen und ausgegeben hatte. Beide wurden zur Untersuchung gezogen, der That überführt und als Falsch-Münzer mit einer fünfjährigen Zuchthausstrafe belegt.


1855

Am 31. Mai des Abends gegen 8 Uhr entladete sich hier ein furchtbares mit Schloßen begleitetes Gewitter, welches in den Gemeinden Neuenkirchen, Westerwiehe und Varensell vielen Schaden an den Feld- und Gartenfrüchten verursacht hat. Am größten war der Schaden in der Bauernschaft Neuenkirchen. Der Roggen war über die Hälfte und stellenweise fast total vernichtet. Der Buchweitzen und Hanf mußte größtentheils ungesäunt (?) werden. 

In der Nacht vom 3. auf den 4. Juli d. J. hat sich der Steuer-Empfänger, Geometer Friedrich Lemke, gebürtig aus Hameln, und wohnhaft in Rietberg, in dem Busche des Meiers Westhoff in Neuenkirchen mittelst eines mit bloßem Pulver geladenen Terzerols, indem er solches in den Mund gehalten, erschoßen. Man fand denselben am Morgen des 4. Juli in dem genannten Busche mit einem im Arme liegenden Doppelterzerol, wovon noch ein Lauf geladen war, tod liegen.
Mehrere Personen wollten am 3. Juli des Abends gegen 11 1/2 Uhr in der Richtung auf Westhoff einen Schuß gehört haben und war daher die Vermuthung, daß er sich um diese Zeit erschoßen habe, nicht unwahrscheinlich.
Der Lemke war ein sehr rechtlicher und geachteter, auch in guten Vermögens-Verhältnißen lebender Mann, welcher sich ohne Veranlaßung, in einem höchst krankhaften Gemüthszustande, in welchem er abwechselnd schon seit mehreren Jahren litt, den Tod selbst gegeben hat. 

Der am 20. Januar d. J. in Neuenkirchen verstorbene Bäcker Johannes Spechtert, auch Drichaus genannt, hat laut gerichtlichem Testamentes von demselben Tage, bis dahin, wo in der Gemeinde Neuenkirchen ein Krankenhaus ins Leben tritt, die hiesige Katholische Kirche zum alleinigen Erben seines ganzen Nachlaßes ernannt, dabei aber derselben die Verpflichtung auferlegt; die jährlichen Revenüen von seinem ganzen Vermögen zum Besten der Armen in der Gemeinde Neuenkirchen zu verwenden, was durch den Kirchen-Vorstand besorgt werden soll und will er erst für den Fall, daß in Neuenkirchen ein öffentliches Krankenhaus eingerichtet worden ist, dieses in Hinsicht seines ganzen Vermögens substituirt wißen. Die zu diesem Zwecke vermachte Nachlaßenschaft des Spechtert, wozu auch deßen Wohnhaus Nr. 6 in Neuenkirchen gehörte, betrug etwa 3000 bis 4000 Thaler.


1856

Der in der Gemeinde Westerwiehe bereits im vorigen Jahr angefangene Bau der Kapelle auf dem Colonate Mertenmeier wurde in diesem Jahre beendet.


1857

Am 26. August starb nach fast 50jähriger Function der Lehrer Caspar Thewes in Neuenkirchen in einem Alter von 76 Jahren. Die hierdurch erledigte Lehrerstelle in Neuenkirchen wurde dem Pfarrküster und bisherigen Hülfslehrer Heinrich Mumpro übertragen. Da jedoch der Mumpro wegen seiner Function als Küster den Unterricht in der Schule allein nicht ertheilen konnte, so wurde zugleich bestimmt, daß noch ein zweiter Lehrer resp. Hülfslehrer angestellt werden sollte.

In der Gemeinde Druffel wurde 1856 ein neues Schulhaus gebaut, bestehend aus einer Lehrerwohnung und einem Unterrichtsraum. 

Im Juni und Juli stieg an mehreren Tagen die Hitze bis 24° R.. Nur spärlicher Gewitterregen erquickte mitunter etwas die Früchte. August und September waren sehr warm und trocken. Die Flüsse und Bäche waren zum Theil ausgetrocknet, sogar der Wapelbach war stellenweise ganz trocken. 

Am 16. Februar des Nachmittags wurde bei heiterem Himmel eine große Feuerkugel gesehen und darauf ein dumpfes donnerähnliches Getöse wahrgenommen, welches Getöse nicht nur hier, sondern auch gleichzeitig in Münster, Tecklenburg und selbst an noch entfernteren Orten gehört worden ist.


1858

In der Gemeinde Neuenkirchen wurde zur Deckung der Kosten für das Stauwerk bei Menken ein besonderer Zuschlag zur Gemeindesteuer von einer zweimonatlichen Klaßen-, Einkommen- und Gewerbesteuer gezahlt. 

Am 19. Juli d. J. des Abends gegen 8 1/2 Uhr entlud sich ein furchtbares mit starken Schloßen und Platzregen begleitetes Gewitter. Die Schloßen, worunter manche die Größe eines Taubeneies übertrafen, hatten durch Sturmwind getrieben, hauptsächlich in den Gemeinden Neuenkirchen, Varensell und zum Theil auch in der Gemeinde Druffel großen Schaden angerichtet.... Die meisten Früchte und namentlich der Buchweitzen und Hanf waren hier meist total verhagelt und lag der Roggen wie ausgedroschen auf dem Lande. An der nordwestlichen Seite vieler Häuser waren manche Fensterscheiben zertrümmert. Die Obstbäume in den Gärten, sowie das einigermaßen freistehende Schlagholz, hatten durch die schweren Hagelkörner sehr gelitten. Das Gewitter währte bis gegen 10 Uhr unter fortwährenden Blitzen und Donnern.

Die mittlere Glocke auf dem Kirchthurm mit der Jahreszahl 1643, welche seit einiger Zeit des Klöppels entbehrte und deshalb beim Läuten mit einem Schmiedehammer angeschlagen wurde, sprang am 26. November.
Der Bruch war jedoch nur etwa 4 Zoll hoch und mußte ausgebohrt werden.


1860

Im Juli vergangenen Jahres ließ sich der praktische Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer Salomon Meyer gebürtig aus Oerlinghausen hier nieder. 

Am 12. Juli ertrank beim Schafewaschen der Tagelöhner Gerhard Austerjost in dem Mühlenkolke der Antfänger Mühle in Westerwiehe.

Handel und Gewerbebetrieb waren unbedeutend.


1861

Am 21. October d. J. starb der Amtmann Ludwig Pelizaeus in Rietberg, ein durch Rechtligkeit und Unparteilichkeit ausgezeichneter Mann. Die Verwaltung des Amtes Rietberg wurde am 6. November dem Civil Supernummeral Erdsiek aus Minden übertragen.

Der seit dem 30. November 1859 hier fungierende zweite Lehrer Joseph Bußemaas aus Bornholte wurde im Herbste dieses Jahres als Lehrer nach Bornholte, Amt Verl versetzt und an deßen Stelle der Schulamts-Candidat August Saße aus Friedrichsdorf als zweiter Lehrer für die Gemeinde Neuenkirchen angestellt.

Am 23. Juli des Nachmittags gegen 2 Uhr wurde das hiesige Vikariehaus Nr. 11, von einem 


Ehemalige Vikarie 
zur Verfügung gestellt von Josef Gräbener
schwachen Blitzstrahl, wahrscheinlich Rückschlag, getroffen. Der Blitz war am Südosteck des Hauses in der Höhe des Stapels eingeschlagen, hatte nicht gezündet, nur etwa fünf Dachpfannen vom Hause geschleudert, einen hölzernen Fensterflügel beschädigt, einen in der Wohnstube in einer Ecke an der Wand der Fensterseite stehenden seidenen Regenschirm zerrissen und weiter keinen Schaden angerichtet. An dem Blei eines Fensters zeigten sich an der Außenseite, wo der Blitz herunter gelaufen zu sein schien, mehrfache Spuren einer Schmelzung.

1862

Die durch die Versetzung des commißarischen Amtmanns Erdsiek nach Peckelsheim erledigte Verwaltung des Amtes Rietberg wurde dem bisherigen Amtmann Duve zu Lippspringe, gebürtig aus Paderborn von der Königl. Regierung zu Minden übertragen und trat derselbe den 1. März d. J. dieses Amt an.

Der Gemeinde Vorsteher Stephan Dreisfausener zu Varensell ging am 24. October mit Tode ab und wurde an deßen Stelle der Halbmeier Christoph Hemkendreis am 31. October zum Gemeinde Vorsteher gewählt und am 15. November in dieses Amt eingeführt. 

Mit Genehmigung des Königl. Oberpräsidenten zu Münster wurde in Neuenkirchen ein neuer Kram-, Vieh- und Hanfmarkt eingeführt und am 23. October d. J. zum erstenmale abgehalten.


1863

Der bisherige Ortserheber Joseph Schultze zu Neuenkirchen dankte als solcher ab und wurde an deßen Stelle der Kaufmann Anton Stroop daselbst zum Gemeinde Erheber für die Gemeinde Neuenkirchen gewählt und angenommen.

Am 7. September wurde in der hiesigen Pfarrkirche das h. Sakrament der Firmung durch den Hochwürdigen Herrn Josephus Freusberg, Bischof von Sydima und Weihbischof zu Paderborn gespendet und wurden aus den Pfarren Neuenkirchen, Rietberg und Mastholte 1160 Personen gefirmt. Die Freude hierrüber unter den Pfarrbewohnern war um so größer, als die ältesten Leute der Vornahme eines solchen kirchlichen Actes in der hiesigen Pfarrkirche sich nicht erinnerten. 

Am 8. September wurde die neue Capelle in Westerwiehe durch den Bischof Freusberg feierlich consecrirt. Abends wurde demselben in dem hiesigen Pfarrhause ein feierlicher Fackelzug gebracht, woran sich gegen 350 Personen betheiligten.


1864

Am 18.October des Abends gegen 8 Uhr hatte der Schäfer Franz Sagemüller bei Huchtöns zu Neuenkirchen sich an einer Leiter etwa 3 Fuß von der Wohnstube des Huchtöns, wo sich die Hausgenoßen gerade aufhielten, erhängt. Derselbe war an der linken Seite vom Kopfe bis zu den Füßen gelähmt und an Geist und Körper verkrüppelt, dabei jedoch sehr lebensfroh und hatte es den Anschein als daß er sich habe einen Scherz machen wollen, die Hausgenossen durch sein Erhängen zu erschrecken und dabei verunglückt sei. 

In Folge des Krieges mit Daenemark war der Handel sehr gelähmt. Die Kühe und Schweine waren unverhältnismäßig billig, so dass man auf dem Margarethenmarkte zu Neuenkirchen - 20. VII. - und dem Jakobimarkte zu Mastholte nur magere Kühe für etwa 17 Thaler, sowie ein 6 bis 8 Wochen altes Schwein für 1 Thaler und einige Silbergroschen kaufen konnte.


Vorstehende von dem Gemeinde Vorsteher Spieker geführte Chronik für die Jahre 1849 bis inclusive 1864 wurde heute verlautbahrt, als richtig anerkannt und unterschrieben. Neuenkirchen den 2ten Juli 1871.
Haus Spieker- 
zur Verfügung gestellt von Maria Kunter

Es folgen die Unterschriften:

Victor Austrup, Pfarrer
Sauer,Caplan
Rielaender, Vicar
Druffelsmeyer, Vorsteher in Druffel
Hemmersmeier, Vorsteher in Varensell
Anton Stroop
F. Schwarze, Lehrer in Druffel
H. Pollmann, Lehrer in Varensell 
Simon Porta - Kolon Reinkemeier
Kolon Vogtsmeier 
Colon Buschgerd
Peter Hemmersmeie
Schrödershenrich
Franz Stroop, Kaufmann
Colon Lückenotto
Jos. Stroop.
a. w. S. Der Gemeinde Vorsteher Spieke

Unterschriften
Unterschriften aus der Original-Chronik
zur Verfügung gestellt vom
Stadtarchiv Rietberg

 


1865

Die durch den Abgang des Caplans Ahnhorst als Pfarrer nach Mastholte erledigte Caplanstelle wurde unterm 16. März d. J. dem bisherigen Vicar zu Verl, Heinrich Sauer, gebürtig aus Paderborn übertragen.

Am 1. November starb der Lehrer Franz Anton Becker in Westerwiehe, nachdem er die dortige Schule seit 1835 zur allgemeinen Zufriedenheit der Eingeseßenen verwaltet hatte. Die einstweilige Verwaltung der erledigten Lehrerstelle wurde dem Schulamts-Candidaten Heinrich Beermann, gebürtig aus Langenberg, übertragen. 

Am 23. November des Abends brannte die zu 350 Thaler bei der Colonia versicherte Scheune des Gastwirths Arnold Hillenkamp Nr. 23 zu Neuenkirchen und das bei der Westpfälischen Provinzial Feuer Societet zu 820 Thaler versicherte Wohnhaus des Bäckers Joseph Bories Nr. 22 daselbst total ab. Auch das Wohnhaus des Hillenkamp gerieth hierbei in Brand, wurde aber schnell wieder gelöscht und hat nur wenig Schaden gelitten. Eine auf dem Boden dieses Hauses in Anwendung gebrachte sogenannte Bollesche Handsprütze, wobei sich der Gutsbesitzer Ostberg genannt Meier Darming aus Varensell besonders thätig bezeigte, hat sich als sehr zweckmäßig bewiesen und dadurch wohl das meißte zur Rettung deßelben beigetragen. Das Feuer war um so intensiver als in beiden Gebäuden sich viel Stroh, Roggen und Brennmaterialien befanden. Sämtliche Brunnen in der Nachbarschaft waren bereits erschöpft und konnte nur noch durch das Wasser des Dorfgrabens dem weiter Umsichgreifens des Feuers Einhalt gethan werden.
Die Ursache über die Entstehung dieses Brandes konnte nicht ermittelt werden.

Am 2. November starb der Gutsbesitzer und Ankäufer der Grafschaft Rietberg, Ludwig Tenge zu Niederbarkhausen im 73. Jahre seines Alters. Derselbe stiftete für die Armen der Grafschaft Rietberg ein Vermächtnis von 4000 Thalern, wovon die Hälfte der Zinsen zu Capital geschlagen werden soll und die übrigen Zinsen zur Vertheilung kommen.


1866

Im Monat Mai d. J. ging der Vicar Paul Westhoff gebürtig aus Salzkotten, nach dem er die hiesige Vicariestelle wegen Krankheit aufgedenkt hatte, von hier ab. An deßen Stelle wurde der Seminar-Priester Franz Rieländer aus Geseke zum Vicarie-Verweser ernannt und trat am 9. Juni dieses Amt an. 

Während des Krieges zwischen Preußen und Österreich hatte sich auch im hiesiegen Kirchspiel ein Hülfsverein gebildet, deßen Aufgabe war, die verwundeten und kranken Krieger, sowie auch die hinterlaßenen Familien derselben hülfreich zu unterstützen, zu welchem Zwecke von diesem Vereine mit gutem Erfolge mehrmalige Sammlungen von freiwilligen Beiträgen, bestehend aus Geld, Leinen und Verbandsachen, veranstaltet wurden. 

Durch die in Folge der Mobilmachung der Armee im Monat Mai stattgefundene Einberufung der Reserven und Landwehr I. und zum Theil II. Aufgebots, sowie auch durch den nach Ausbruch des Krieges ins Stocken gerathenen Betriebs der Fabriken und Kohlenzechen im Bergischen, wodurch sonst mancher Arbeiter von hier einen lohnenden Verdienst fand, hat die hierdurch betroffene geringere Volksklaße sehr gelitten. Glücklicher Weise dauerte jedoch dieser Zustand nicht lange, da schon wenige Wochen nach Beginn des Krieges unsere tapferen und siegreichen Truppen in der Nähe von Wien standen, und der Krieg in der beispiellosen Zeit von etwa drei Monaten beendigt war.
Die Anfangs wegen dieses Krieges sehr gedrückte Volksstimmung, weil man denselben als einen sogenannten Bruderkrieg im Allgemeinen nicht wünschte, wurde nach seinem so schnellen und siegreichen Erfolge, wodurch Preußen einen bedeutenden Länderzuwachs erhielt und zu einer großen Machtstellung gelangte, durch welche der Grund zu dem Norddeutschen Bund gelegt wurde, bald wieder gehoben und in Freude verwandelt. 

Am 8. Januar des Abends gegen 5 1/2 Uhr schlug der Blitz während eines stürmischen Wetters bei Westwind in eine dem Kaufmann Simon Porta gehörende und etwa 6 Fuß von dem Hause des Schuhmachers Conrad Böding Nr. 154 zu Neuenkirchen entfernt stehende Pappel. Der Blitz war so fürchterlich, daß es schien als stände die ganze Umgegend in Flammen. Der Knall und die Erschütterung waren so stark, wie der aus einer in nächster Nähe abgefeuerten Kanone, so daß durch den dadurch erzeugten Luftdruck an der Nordseite des Hauses des Böding, wo die Pappel stand, sämtliche Fensterscheiben und zum Theil sogar die hölzernen Fenstersproßen zerschmettert waren. Die Familie des Böding war gerade mit dem Abendbrode beschäftigt, als die Fenster mit Rahmen und Glas in kleinen Stücken sowie eine Quantität Erde und selbst ein Pfahl aus der Umzäunung in diese Stube geschleudert wurden.
Außer einer augenblicklichen Betäubung hatte die Familie des Böding keinen weiteren Schaden erlitten. 

In der Nacht auf den 5. Juni d. J. brannten das zu 1200 Thaler bei der Stettiner versicherte Wohnhaus des Schneiders Heinrich Kriener Nr. 10A, das zu 700 Thaler bei der Colonia versicherte Vicariehaus Nr. 11 nebst Stall und die zu 500 Thalern bei der Westphälischen Provinzial versicherte Scheune des Kaufmanns Anton Stroop in Neuenkirchen total ab. Das Feuer hatte sich so schnell verbreitet, daß, als man daßelbe gegen 12 Uhr Nachts zuerst wahrnahm, schon das Haus des Kriener und das Vicariehaus, beide in vollen Flammen standen.
Die Entstehung des Feuers wurde nicht ermittelt und schien es, daß daßelbe zuerst aus dem Hause des Kriener sich verbreitet habe. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich nun auch wieder, wie wenig die vorhandenen Brunnen resp. Pumpen bei einem solchen Brande leisten, weil dieselben bald erschöpft sind, überhaupt aber auch zu wenig und weil meist in den Häusern sich befindlich, nicht schnell genug Waßer liefern.
Dem Weiterverbreiten des Feuers konnte nur durch das aus dem Dorfgraben herbeigeschaffte Wasser Einhalt geboten werden. Es kann deshalb die fortwährende Instandhaltung der Wasserleitung des Dorfgrabens für die Folgezeit nicht genügsam empfohlen werden, da nunmehr binnen Jahresfrist schon zweimal durch dieselbe einem größeren Brande vorgebeugt worden ist.

Am 1. Januar d. J. wurde die für die Einwohner so lästige Salz-Controlle und damit der bisher bestandene Salzzwang wonach für jeden Kopf der Bevölkerung sowie auch für den Viehstand, eine gewiße Anzahl Pfunde Salz entnommen werden mußten, aufgehoben.


1868

In der Nacht vom 21./22. April wurden dem Colon Gerhard Kühlmann in Westerwiehe mittels Erbrechung des Backhauses aus dem Backofen 7 Brode, je 45 Pfund, und in der Nacht 27./28. April der Witwe Colona Engelnhenrich zu Neuenkirchen mittelst Einbruchs an Speck, Würsten, Schweinefleisch und Hanf zum Werthe von 22 Thalern gestohlen.
Kleinere Diebstähle von geringerer Bedeutung sind vielfach vorgekommen und haben in keinem Falle die Thäter ermittelt werden können.

Öffentliche Feste, Patriotische Handlungen, Verbesserungen und nützliche Erfindungen sind nicht zu erwähnen.

Von der Schulgemeinde in Varensell wurde in diesem Jahre zur Deckung der Kosten für den im vorigen Jahre ausgeführten Bau eines neuen Schullokals von der Provintial-Hülfskaße zu Münster ein Capital von 1200 Thaler zu einer 24jährigen Amortisation ausgeliehen.


1869

Der zweite Lehrer an der Elementarschule zu Neuenkirchen August Saße wurde als Lehrer nach Schloß Holte versetzt und ging im September d. J. dahin ab. Nach dem Abgange des Saße wurde diese bisher von beiden Geschlechtern gleichzeitig benutzte Schule getrennt und statt derselben 2 Schulen, eine Knaben- und eine Mädchenschule, eingerichtet.
An der Knabenschule, wozu das vorhandene Schullocal benutzt wurde, verblieb der bisherige 1ste Lehrer, Küster Heinrich Mumpro, als Lehrer und wurde die Mädchen Schule der Lehrerin Anna Bäumker aus Brakel von der Königl. Regierung zu Minden übertragen und wurde dieselbe am 15. December hier als Lehrerin eingeführt. Das Gehalt der Lehrerin wurde von der Regierung, außer freier Wohnung, einschließlich des von den Kindern zu zahlenden Schulgeldes, auf 160 Thaler jährlich festgesetzt, wovon die Gemeinde 140 Thaler zu zahlen hat und von der Regierung 20 Thaler als Stellenzulage gezahlt werden. Auch bezieht die Lehrerin das Feuerungsgeld, welches für jedes Kind 5 Sgr. beträgt, wogegen dieselbe die Heitzung des Schullocals zu besorgen hat.

Am 8. März d. J. wurde die der Wittwe Joseph Schultze Nr. 90 zu Neuenkirchen, welche mit ihrer Familie nach America auszuwandern beabsichtigte, zugehörige Besitzung, bestehend aus dem Wohnhause, Scheune, Garten und Hofraum und unter Flur VIII, Nr. 41, 42, 43 und 44 zu 1 Morgen 38 Ruthen 73 Fuß vermeßen von der politischen Gemeinde Neuenkirchen zunächst zu Schulzwecken für den Preis von 2000 Thaler angekauft. Von dieser Besitzung prästirt (?) ein jährlicher Canon an das hiesige Pastorat von 4 Thaler 15 Sgr. Die Kaufsumme von 2000 Thaler wurde von der Provinzial Hülfskaße zu Minden gegen 9 1/2 p. Cent Zinsen auf 15jährige Amortisation angeliehen.

Das im Jahr 1866 abgebrannte Vikariehaus ist nicht wieder aufgebaut und wurde stattdeßen in diesem Jahre das von dem Heinrich Kriener hierselbst nach dem Brande wieder neu aufgebaute Haus für 1650 Thaler zum Vikariehaus angekauft.

Am 11. April d. J. wurde auch hier das 50jährige Priesterjubiläum Sr. päbstlichen Heiligkeit Pius des IX. durch eine besondere kirchliche Feier, sowie durch Beflaggen der Häuser und des Abends durch eine gut ausgeführte Illumination der Kirche, des Kirchhofes und mehrerer Häuser, sehr festlich begangen. 

Nachtrag:
Im Jahre 1867 wurde hier durch den Lehrer Mumpro ein Landwirtschaftlicher Local Verein gebildet, welcher sich unter dessen Leitung in der Regel allmonatlich einmal in dem Hause des Gastwirths Hillenkamp zu einer Besprechung über landwirtschaftliche Angelegenheiten versammelte. Eine von diesem Verein zunächst für das Kirchspiel Neuenkirchen eingeführte Vieh Versicherung erwies sich als nun sehr nützliche und besonders für die geringere Volksklasse wohlthätige Einrichtung.


1870

Das Jahr 1870 begann im tiefsten Frieden. Niemand ahnte eine Kriegesgefahr, noch am 30. Juni erklärte der leitende französische Minister Ollivier im gesetzgebenden Körper [?] zu Paris:
Karte von Neuenkirchen um 1870
gezeichnet von Sanitätsrat Josef Stadler
zur Verfügung gestellt von
Martin Hamschmidt
Karte 1870

"Zu keiner Zeit war die Aufrechterhaltung des Friedens mehr gesichert, als jetzt. [...]".

Aber schon am 3. Juli hatte Frankreich eine Frage entdeckt, in der von Spanien beabsichtigten Wahl des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern zum Könige, durch welche es das Gleichgewicht und den Frieden der Welt für gefährdet erklärte und schlug schon am 6. Juli der französische Minister Herzog von Grammont vor jeder Erörterung mit Preußen einen Ton an, der keinen Zweifel ließ, daß Frankreich den Krieg eben wollte....... und am 19. Juli folgte die förmliche Krieges-Erklärung gegen Preußen...... Anfang August standen schon unsere Heere, denen sich die süddeutschen Heere brüderlich anschloßen, wohlgerüstet an der französischen Grenze dem Feinde gegenüber und etwa acht Tage nach Beginn des Krieges auf französischem Boden [...].
Theils auf den Schlachtfeldern in Frankreich geblieben, theils an den erhaltenen Wunden oder durch Krankheit später in den Lazarethen gestorben:

  1. Johann Heinrich Allerbeck aus Varensell,
  2. Heinrich Maasjosthusmann aus Varensell,
  3. Theodor Gerks aus Neuenkirchen,
  4. Franz Kuper aus Druffel,
  5. Christoph Kollenberg aus Neuenkirchen,
  6. Heinrich Schlüter aus Westerwiehe,
  7. Bernard Schnippe aus Westerwiehe,
  8. Christoph Tolljürgen aus Westerwiehe,
  9. Conrad Rotvige aus Westerwiehe,
  10. Heinrich Rabener
  11. Heinrich Heinrichholtkamp aus Westerwiehe

Nach ihrer Einberufung als Nichtcombatanten sind an einer Krankheit gestorben:

  1. Heinrich Körkemeier aus Neuenkirchen,
  2. Franz Himmeldirk aus Druffel

Im October d. J. war der ca. 70 Jahre alte Arzt Albert von der Hoya, gebürtig aus Damme, von Bremen nach Neuenkirchen verzogen in der Absicht hier zeitweise als Privatmann zu wohnen, ließ sich jedoch Anfang Mai als praktischer Arzt förmlich nieder und starb schon am 6. November. 

Durch den Mangel an Steinkohlen war, wegen der öffteren Sperrung der Eisenbahnen zu militärischen Zwecken, eine Vertheuerung des Brennmaterials eingetreten, was zumal bei der im December eingetretenen starken Kälte für die ärmere Volksklasse höchst drückend war. 

Am 7. Juni rettete der Meier Ostberg genannt Darming zu Varensell den Christoph Linnemann, Sohn des Heuerlings Heinrich Linnemann daselbst, welcher beim Schafewaschen in einen durch das Darmingsche Stauwehr ausgespühlte Tiefe der Wapel gerathen und bereits untergesunken war, mit eigener Lebensgefahr das Leben.
Dem Darming, welcher hierbei bald selbst seinen Tod gefunden, wurde für diese edelmüthige Handlung von Sr. Majestät dem Könige die Rettungsmedaille am Bande verliehen.

Im Kirchspiel Neuenkirchen hatte sich, behufs Sammlung von freiwilligen Beiträgen zur Pflege der verwundeten oder erkrankten Krieger, sowie später zu Beschaffung von wollenen Unterkleidern, Strümpfen usw. für die im Felde stehenden Truppen, mit gutem Erfolge ein Hülfsverein gebildet. Gleichzeitig bildete sich hier ein Frauen-Verein mit Anfertigung von Verbandsachen und Hand- und Bettthüchern für die Verwundeten.
Auch hatten sich mehrere Einwohner zur Aufnahme und Pflege von Leichtverwundeten bereit erklärt. Letztere wurden jedoch in den Lazarethen untergebracht und haben deshalb auch nur 10 Leichtverwundete, welche von hier zu Hause waren, mit besonderer Genehmigung der Militär-Behörde, als Reconvaleszenten, theils im hiesigen Krankenhaus und theils bei einigen Einwohnern verpflegt werden können.

In der Gemeinde Neuenkirchen wurde der schon im vorigen Herbste begonnene Ausbau der vormaligen Schultzeschen Scheune zu einem Unterrichtszimmer für die eingeführte Mädchenschule in diesem Frühjahre vollendet, und wurde in dem Schultzeschen Wohnhause eine Wohnung für die Lehrerin eingerichtet und in Stand gesetzt.
Zugleich wurde auch an dem alten Schullocale, der nunmehrigen Knabenschule, ein Reparaturbau ausgeführt.
Die Kosten für diese Bauten betrugen insgesammt, einschließlich der Kosten für die Umdachung der Mädchenschule und Ausbeßerung des Schultzeschen Hausdaches, 797 Thaler 28 Sgr. 5Pf. und wurden durch die Gemeinde mit einem Zusatze von einer 5monatlichen Klaßen- und Einkommensteuer und einer 4monatlichen Grund- und Gebäudesteuer aufgebracht.

Der Roggen war sowohl an Körnern wie auch an Stroh ziemlich gut, dagegen waren der Buchweitzen, welcher durch den Sturm vom 10. September sehr gelitten, sowie die Kartoffeln nicht gut gerathen. Die Heuerndte lieferte wegen der Nachtfröste im Frühjahr einen schlechten Ertrag und waren die Herbst-Fütterungsgewächse wegen des naßkalten Wetters sehr zurückgeblieben. Bei den Kartoffeln zeigte sich besonders auf niedrigem Boden auch die Kartoffelkrankheit.


1871

Die durch den Abgang des Lehrers Mumpro erledigte Lehrerstelle an der kath. Knabenschule zu Neuenkirchen ist am 17. Mai dem bisherigen Lehrer zu Druffel, Ferdinand Schwarze, definitiv verliehen.
Das Gehalt für den Lehrer Schwarze wurde von der Königl. Regierung auf 200 Thaler nebst freier Wohnung und 30 Thaler für Hausbrand fixirt.
Der Lehrer Mumpro, welcher schon früher als Hülfslehrer fungirte, hatte die I. Lehrerstelle zu Neuenkirchen, vor Errichtung der Mädchenschule war nämlich noch ein Hülfslehrer angestellt seit dem Tode des Lehrers Kaspar Thewes, am 26. August 1857, innegehabt. Die erledigte Schulstelle in Druffel wurde am 29. September dem Schulamts-Candidaten Hermann Vorderbrüggen aus Liemke übertragen. 

In der Nacht vom 23. auf den 24. December starb zu Neuenkirchen der Gemeinde-Vorsteher und Postexpedient Franz Spiecker im Alter von 65 Jahren. Spiecker war am 10. August 1838 als Ortsbeamter von Neuenkirchen in sein Amt eingeführt worden und hat diese Stelle bis zu seinem Tode ununterbrochen bekleidet. In den ersten Jahren seiner Amtsführung war derselbe zugleich Gemeinde-Vorsteher von Varensell. Die hiesige Königliche Postexpedition wurde ihm am 1. December 1839 übertragen. Eine im Jahre 1851 auf ihn gefallene Wahl zum Amtmann des Amtes Rietberg hatte derselbe abgelehnt.
An gemeinnützigen Schöpfungen verdankt namentlich das Dorf Neuenkirchen dem Vorsteher Spiecker die Anlage eines Gemeindestaues im Wapelbach bei Colon Heße. Die Anlage des Straßenpflasters in der Hauptstraße des Ortes in den Jahren 1870 und 1871 geschah wider seinen Willen.

Die hier in Neuenkirchen bestehende Königl. Postexpedition wurde in diesem Jahre in eine Postagentur verwandelt, welche an den Lehrer Schwarze hierselbst mit vorläufig 120 Thalern Einkommen übertragen wurde.

Außer den bekannten Steuern mußten an Schulgeld für jedes Kind 1 Thlr. 10 Sgr. gezahlt werden, in Neuenkirchen, wo die Lehrergehälter fixirt waren, an die Gemeindekaße, in den anderen Gemeinden an die Lehrer.

Die Leistungen für die Provinzial-Anstalten Benninghausen, Marsberg und Lengerich dauern fort, stecken aber in den unter "Gemeindesteuer" angegebenen Summen.


Handel und Gewerbe beschränken sich, abgesehen von den Branntweingeschäften der Firmen W. Stadler und Otto Diekhoff immer mehr auf den localen Bedarf, welches namentlich in den schlechten Verkehrsstraßen und der hierdurch bedingten abgeschnittenen Lage des Ortes seinen Grund hat.
Innenhof der Brennerei Diekhoff, heute REWE
zur Verfügung gestellt von Josef Gräbener

Für die im Jahre 1870 von dem Kaufmann J. Ellendorf hier erbaute Dampfsägemühle ist der Mangel gepflasterter oder chaußirter Wege besonders nachtheilig.

Händler mit landwirtschaftlichen Produkten, besonders mit Fleisch, Butter, Eiern und Hühner, aus den Gemeinden Neuenkirchen, Varensell und Westerwiehe besuchten regelmäßig die Wochenmärkte u. a. in Dortmund.

Es mag nachträglich an dieser Stelle erwähnt werden, daß die Witwe des am 7. März 1869 verstorbenen Eberhard Körbekemeier, Colon Jürgenschellert zu Neuenkirchen, bereits im vorigen Jahre an hiesige Pfarrkirche ein 40stündiges Gebet gestiftet hat, welches in den Pfingsttagen dieses Jahres zum zweiten Male gehalten wurde.


Lange Strasse
Lange Strasse in Blickrichtung Rietberg
zur Verfügung gestellt von Maria Kunter
n diesem Jahre wurde in der Hauptstraße des hiesigen Ortes ein Straßenpflaster von Anröchter Kopfsteinen gelegt, welches der Gemeinde 2.656 Thaler 28 Sgr. kostete.
Im Ganzen wurde zur Ausführung dieses Baues bei der Kreis-Sparkasse in Wiedenbrück eine Anleihe von 2000 Thalern gemacht, 

welche bis auf Weiteres mit 4 1/2% verzinst werden müssen.
Es wird ausdrücklich bemerkt, daß die Kosten dieser Pflasterung, welche auf Befehl der Königlichen Regierung zu Minden unternommen werden mußte, ausschließlich von der politischen Gemeinde Neuenkirchen und nicht von der Kirchspielsgemeinde getragen wurde.

Lange Strasse
Lange Strasse in Blickrichtung Kaunitz
zur Verfügung gestellt von Maria Kunter

Wie in allen katholischen Orten, so wurde auch hier am 16. Juni der 26zigste Jahrestag der Erwählung des Pabstes Pius IX. festlich begangen. Außer der kirchlichen Feier, bestehend in feierlichem Proceßion Hochamt, wurde des Abends auf der Westhoffschen Kuhweide ein Holzstoß von etwa 5 Fuder Reisern angezündet und ein Feuerwerk abgebrannt, wozu die Kosten im Betrage von etwa 30 Thalern von den Kirchspielseingeseßenen aufgebracht wurden.
Bei dieser Gelegenheit hielt der Gemeinde Verordnete Colon Heinrich Humann eine der Feier des Tages entsprechende Festrede.

Am 18. Juni, dem Tage der Inthronisation des Pabstes Pius IX., wurde zugleich das staatlicherseits angeordnete Friedensfest gefeiert. Wie bereits am 16. waren die Straßen des Ortes durch Ehrenbogen, Kränze usw. festlich geschmückt, fast alle Häuser beflaggt. Nach den feierlichen Morgen- und Nachmittags- Gottesdiensten wurde um 4 Uhr Nachmittags von Herrn Ortsvorsteher Spiecker ein Ballon aufgelaßen, welcher bei dem schönen klaren Wetter rasch aufstieg, bis sich derselbe nach Verlauf von etwa 20 Minuten in dem blauen Aether verlohr. Des Abends waren die Hauptstraße und alle Häuser des Ortes prachtvoll illuminirt; ebenso der Kirchhof vor der Kirche, durch an den Bäumen angehängte Laternen und Ballons. Dabei durchzog in Begleitung eines Musikchores ein Fackelzug von mehr als 300 Lampions die Straßen und nahm schließlich auf dem Kirchhofe vor der Kirche Aufstellung, wo von dem Colon H. Humann die Festrede gehalten wurde. Mit einem Hoch auf Kaiser und Pabst wurde das schöne Fest beschlossen.


1872

Am 25. September des Abends gegen 10 Uhr brannten das Wohn- und Heuerhaus des Colons Johann Spittenarend zu Westerwiehe total ab. Die erst spät anlangenden Feuerspritzen von Neuenkirchen und Rietberg konnten gar nicht in Betrieb gesetzt werden, da es an Waßer mangelte. 

Am 2. Ocktober Abends 6 1/2 Uhr verunglückte der 19jährige Sohn des Kötters Ellebracht genannt Hölscher zu Neuenkirchen, Namens Heinrich, mittelst eines Falles durch die Bodenluke. Derselbe hatte sich den Gehirnschädel zerschmettert und starb bald darauf.
Es mag an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, daß etwa [...] Tage vor diesem Unglücksfalle um 12 Uhr Nachts von dem Gemeinde Vorsteher Humann, also dem Schreiber dieser Zeilen selbst, und dem Colon Körkemeier, welche um diese Zeit aus dem Dorfe kamen und nach Hause gingen, ein gräßlich Geschrei gehört wurde, wofür sich trotz allen Nachforschungen in den nächsten Tagen keine Anhaltspunkte auffinden ließen. Man unterschied deutlich eine Frauenstimme, welche einen etwa 10maligen Jammer- und Hilferuf ausstieß, welcher sich dann in einem kurzen allgemeinen Gewier (?) verlohr. Das Geschrei wurde von der östlichen Seite des Humannschen Colonates aus genau in der Richtung zur Hölscherschen Wohnung im sogenannten Panreck wahrgenommen. Durch spätere Ermittlungen ist constatiert, daß das in dieser Nacht vernommene Geschrei, mit dem namentlich von der Ehefrau Hölscher bei dem vorstehend erwähnten Unglücksfalle ausgestoßenen Hülferufen in Wortlaut und Ton identisch war.

Dem Kaufmann W. Dieckhoff zu Neuenkirchen wurden 70 bis 80 Pfund Meßing und Kupfer durch den Kupferschmied Erdel aus Deggendorf in Baiern gestohlen. Letzterer wurde eingeholt und betreffende Kiste wieder abgenommen.

Die Pflasterungsarbeiten in Neuenkirchen, welche im vorigen Jahre nicht ganz beendet worden, wurden in diesem Jahre zu Ende geführt. Zur Deckung der noch fehlenden Geldmittel wurde der Gemeinde auf ihren dieserhalb gestellten Antrag durch besondere Vermittlung des Herrn Landraths Duesberg zu Wiedenbrück von der Königlichen Regierung zu Minden eine Bau-Prämie von 400 Thalern bewilligt. 

Am 25. September feierte der hier seit dem Jahre 1867 unter der Leitung des Herrn H. Mumpro bestehende landwirtschaftliche Localverein ein öffentliches Thierschaufest, verbunden mit Prämiierung und Verloosung von Vieh und landwirtschaftlichen Geräthen. An Loosen waren 2000 Stück zu 10 Sgr. abgesetzt.
Das Fest selbst, welches in jeder Hinsicht nur als gelungen bezeichnet werden kann, verlief in der üblichen Weise. Nach stattgefundener Prämiierung der Schauthiere, Festeßen, darauf die Verloosung und des Abends Ball. 

Im Herbste, namentlich im September und Ocktober graßierte die Ruhr im hiesigen Kirchspiel, besonders hart heimgesucht wurden Westerwiehe, die Neuenkirchener Bauernschaft und der südöstliche Theil von Druffel.


1873

Die Ehefrau des Heuerlings Heinrich Henneckes zu Westerwiehe Nr. 62, 54 Jahre alt, stürzte am 6. Januar Vormittags 11 Uhr derartig unglücklich mit der Hausleiter, daß sie schon gegen 5 Uhr Nachmittags starb, und zwar in Folge einer Gehirnverletzung. Dieselbe war damit beschäftigt gewesen, eine Wurst aus der Räucheranstalt (Wiemen) zu holen.

Im Monat August wurden dem Heuerling Heinrich Eusterhus zu Westerwiehe aus einem auf der Bühne oberhalb der Wohnstube stehenden verschloßenen Schranke 57 Thaler, so wie aus einem im unteren Stockwerk stehenden ebenfalls verschloßenen Koffer 3 Thaler entwendet. Beide Behältniße waren mittelst Nachschlüßels geöffnet worden. Der That dringend verdächtig war ein gewißer Horsthemke aus Bornholte, ein berüchtigtes Subjekt, welcher dann auch bald nachher in Verl verhaftet wurde, wo sich noch 53 Thaler, der entwendeten Geldsorte entsprechend, bei demselben vorfanden.

Am 21. Juli starb im hiesigen Krankenhause der Junggeselle Anton Rüscherdavid, ein Sohn von Rüscherdavids Colonate in Varensell, welcher dem Krankenhause durch letztweilige Verordnung ein Legat vermachte. Der am 8. September ebenfalls im hiesigen Krankenhause verstorbene unverheirathete Henrich Hilkendreis hat der genannten Anstalt ebenfalls ein Legat hinterlaßen.


1874

Über die schon längst projektierte, zu cirka 13 000 Thaler veranschlagte Chaußierung des Weges von Rietberg nach Neuenkirchen, wurden neuerdings durch Vermittlung des Herrn Landraths Duesberg zu Wiedenbrück mit dem Kreistage und der Königlichen Regierung zu Minden Unterhandlungen angeknüpft, welche noch nicht zum günstigen Abschluße gediehen waren. 

Am 28. Januar verunglückte auf dem Rehjohannschen Hofe in Varensell der 30 Jahre alte Heinrich Johannismann aus Goppeln bei Herzebrock beim Abbruche eines von ihm gekauften Schuppens.
Das Unglück wurde dadurch herbeigeführt, daß beim Herablaßen eines Balkens das Seil riß, in Folge deßen der Genannte von herabfallenden Holzstücken erschlagen wurde.

In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni wurden dem Wirth Eberhardt Kerkstroer zu Westerwiehe mittelst Erbrechens eines Fensters an der Wohnstube 150 Thaler baares Geld und 15 Pfund Kaffeebohnen gestohlen. Das Geld hatte sich in einem unverschloßenen Kasten in der Schlafkammer befunden.

In diesem Jahr wurde das Lehrergehalt in allen Gemeinden des Kirchspiels von der Königlichen Regierung zu Minden erhöht, und für die Lehrer auf 300 Thaler und für die Lehrerin auf 200 Thaler definitiv festgestellt, nebst freier Wohnung und Entschädigung für Hausbrand. Letztere betrug in Neuenkirchen für den Lehrer 30 und für die Lehrerin 15 Thaler.

Am 9. September feierte der hier seit dem Jahre 1867 bestehende landwirtschaftliche Localverein sein zweites öffentliches Thierschaufest, verbunden mit Prämiierung und Verloosung von Vieh und landwirtschaftlichen Geräthen. Das Fest selbst, welches in allen seinen Theilen nur als ein wohlgelungenes bezeichnet werden kann, verlief in der üblichen Weise. Für den Abend waren von den Gastwirthen Druffelsmeier und Hartmann Tanzvergnügungen veranstaltet.

Haus Hillenkamp/Druffelsmeier heute Spielhalle > Maria Kunter <

Hotel Druffelsmeier um 1950 , heute Spielhalle
zur Verfügung gestellt von Maria Kunter

Nachtrag:
Zur Charakterisierung der allgemeinen Lage und speziell der Verhältniße des Kirchspiels Neuenkirchen wird noch nachstehendes bemerkt:
Das Kirchspiel Neuenkirchen, welches bei der Bewegung des Jahres 1848 und den nachfolgenden Wahlen bis zum Jahre 1866 zur demokratischen Partei, und von der bis zu den Wahlen von 1870 bez. 1871 zur Regierung hielt, wählte im November 1873 zum Abgeordnetenhause, sowie bei der direkten Wahl im Januar 1874 zum Deutschen Reichstage ausschließlich oppositionell d. h. zur katholischen Centrumspartei.

Das Fortschreiten des Bergbaues und der Industrie im westlichen Theile der Provinz hatte eine förmliche Völkerwanderung aus den hiesigen Landgemeinden namentlich nach den Städten Dortmund, Bochum und Essen wachgerufen, so daß das Kirchspiel Neuenkirchen, welches zur Mitte der 18hundert und vierziger Jahre nahe an 5000 Seelen zählte, deren bei Aufnahme der Seelenzahl im August 1874 keine volle 4000 (3928) mehr aufzuweisen hatte.
Die Folge hiervon war, daß sich auch hierorts die Lohnverhältniße immer mehr steigerten, so daß für den Knecht 60 bis 80 und für die Magd 25 bis 30 Thaler und darüber gezahlt werden mußten. Zur Erndtezeit des Jahres 1873 waren Arbeitskräfte hier so raar, daß ein guter Arbeiter täglich 15 bis 20 Sgr. verdiente, und auch für diesen Preis noch kaum zu haben war.

Nachdem es den Bemühungen des Herrn Pfarrers A. V. Austrup, namentlich durch Abhaltung der Mißionen in den Jahren 1850 und 1861 gelungen war, dem Brandweintrinken in Folge deßen schon in den 18hundert und dreißiger und 18hundert und vierziger Jahren mancher Bauernhof im hiesigen Kirchspiel zu Grunde gegangen, Einhalt zu thuen, nahm dieses Übel neuerdings immer wieder größere Dimensionen an.
Mancher tatkräftige Mann, welcher noch eine Reihe von Jahren hätte leben können, fiel als ein Opfer der Trunksucht. Namentlich waren es die Arbeiter, und unter ihnen besonders wieder die Handwerker, welche auch bei den kleinsten Verrichtungen ihren Brandwein haben mußten, und sich somit nach und nach daran gewöhnten.

Am 10. Januar 1873 fand für den Bereich des Preußischen Staates eine allgemeine Viehzählung statt, welche für Neuenkirchen folgendes Resultat lieferte:

viehhaltende Haushaltungen

224

Pferde

68

Esel

3

Stück Rindvieh

507

Stück Schafe

254

Ziegen

71

Schweine

141

Bienenstöcke

177

Vorstehende für die Jahre 1871, 1872, 1873 und 1874 von dem Gemeinde Vorsteher Humann geführte Chronik wird hiermit verlautbart, da der Vorsteher Humann inzwischen Regierungsfeindlicher Agitationen angeklagt, sein Amt niedergelegt hatte, so führte der Stellvertreter Franz Stroop hierbei den Vorsitz.


1875

Der Vorsteher Humann mußte wegen Reden, die er in verschiedenen Volksversammlungen gehalten, welche Angriffe gegen die Regierung enthalten hatten, am 1. Juli sein Amt als Vorsteher niederlegen. Das Vorsteheramt wurde vom 1. Juli bis Ende des Jahres vom Vorsteher-Stellvertreter Franz Stroop verwaltet. In den letzten Monaten dieses Jahres wurden zwei kleine Vorsteher Wahlen abgehalten, das erste Mal wurde der Zimmermeister Anton Baumewerd, das zweite Mal der Kaufmann Wilhelm Dieckhoff gewählt, beide Wahlen wurden nicht bestätigt und darauf der Kaufmann Josef Ellendorf auf sechs Jahre zum Vorsteher von Neuenkirchen ernannt. Da derselbe Gemeinde Verordneter war, mußte für ihn ein anderer gewählt werden und fiel die Wahl auf den Kaufmann Arnold Stadler.

Bisher in Scheffel angegebene Gewichte, sind nunmehr in Pfund ausgewiesen:

Es kosteten durchschnittlich 

100 Pfund Weizen

10,50

1oo Pfund Roggen 9.00
100 Pfund Gerste 9,00
100 Pfund Buchweizen 9,50
100 Pfund Kartoffeln 2,25

Es kosteten:

1 Pfund Rindfleisch 0,60
1 Pfund Speck 0,80 

In Mark und Pfennig

Am 2. Juni feierte der Pfarrer A. V. Austrup hier sein 50jähriges Priesterjubiläum. Woran sich das ganze Kirchspiel, man kann sagen Groß und Klein ohne Ausnahme betheiligten. Am Vorabend wurde dem Jubilar ein großer Fackelzug gebracht, woran mehrere tausend Menschen theil nahmen. Am eigentlichen Jubeltage war zuerst Gottesdienst in der Kirche und war die Theilnahme eine so große, daß die Kirche nicht alle Menschen faßen konnte, die dem lieben Gott für die Erhaltung des threuen Pfarrers danken und für das fernere Wohlergehen bitten wollten. Mit welcher Liebe sämtliche Pfarrkinder an dem Jubilar hingen, bewies im letzten die große, ja großartige Betheiligung am Nachmittags-Gottesdienste, wurde der Jubilar nach seiner Wohnung begleitet und folgten hierauf die Gratulationen durch die verschiedenen Deputationen und überreichten Geschenke.
Von den Pfarreingeseßenen wurden ein sehr schöner Seßel und ein kostbarer Hostien-Kelch geschenkt.
Mittags war ein Festeßen bei Anton Stroop, woran sich viele beteiligten und wobei es sehr vergnügt zu ging und bis Abend 11 Uhr währte. 

Am 16. August wurde bei Detmold ein sehr großes Fest gefeiert, wie es in Westfalen noch nie vorgekommen ist. Es wurde nämlich das großartige Hermanns-Denkmal enthüllt. Kaiser Wilhelm, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, mehrere weitere Prinzen, Vertreter sämtlicher deutscher Fürsten, eine große Anzahl Generäle und hoher Offiziere aus allen Gegenden Deutschlands waren zugegen. Auch von hier hatten sich mehrere betheiligt.

Wenn die Chronik pro 1875 etwas kurz gefaßt und nicht alles genau ausgeführt ist, so hat dies darin seinen Grund, daß die Gemeinde verwaiset war, d. h. keinen Vorsteher hatte und hat der Schreiber erst nach 2 Jahren Vorstehendes so gut wie möglich, nachgetragen, ohne im Besitze irgendwelcher Notizen über die einzelnen Begebenheiten zu sein.

Am 1. October wurde ein neuer Kirchenvorstand gewählt

  1. H. Humann
  2. Pfarrer Austrup,
  3. Colon Großegesse,
  4. Meyerfrankenfeld,
  5. Colon Lanvermeier,
  6. Colon Winkelheide,
  7. Colon Papenforth,
  8. Kaufmann Friedrich Schroeder,
  9. Auctionator Joseph Stroop

und von diesen wurde wiederum der H. Humann zum Vorsitzenden und der Joseph Stroop zum Protokollführer und Rendanten gewählt.


1876

Im  Januar wurden der Kaufmann Joseph Ellendorff als Gemeinde Vorsteher und der Kaufmann Arnold Stadler als Gemeinde Verordneter eingeführt. 

Im Juli wurde die Chaussee von hier nach Rietberg in Angriff genommen und Ende April 1877 fertiggestellt. Die Kosten betragen circa 38.000 Mark. Würden sich jedoch bedeutend höher gestellt haben, wenn der alte Weg und die vorhandenen Brücken nicht benutzt worden wären. Auch wurden die Steine sehr billig angekauft und alle Arbeiten niedrig verdungen. Die Steinlieferung hatte Adolph Haimann in Bielefeld, aus dem Steinbruch des Meier Wradstrup-Loewe zu Lämmershagen für 9,30 Mark je Kubikmeter frei Baustelle, die Erdarbeiten des Zimmermeisters Anton Baumewerd für 3.060 Mark, ebenso auch die Ausführung der Durchläße, einen Doppelt-Durchlaß bei Billeleins-Hampe und einen bei Feldhaus im Panreck für Mark 864. Die Steinarbeiten des Schachtmeisters August Kerger in Lintel für Mark 5.550. Haimann hat an dieser Lieferung einen sehr bedeutenden Schaden gemacht. Baumewerd hat ebenfalls, trotzdem die Gemeinde ihm noch eine Vergütung von Mark 900 hat zukommen lassen, hierbei keine Seide gesponnen. Kerger dahingegen ist gut rund gekommen.
Wenn man die jetzigen Verhältnisse der Gemeinde nicht mehr kennt, wird gewiß Mancher, der nach Rietberg geht sagen, es müßten doch recht dumme Leute gewesen sein, die diesen Weg so krumm gebaut haben. Denen diene jedoch zur Aufklärung und Antwort: daß ein grader Weg von Thurm zu Thurm auch neue Brücken erfordert hätte und sich der Kostenpunkt Mark 15.000 höher gestellt haben würde, welche aufzubringen die Gemeinde außer Stande war.

Im Sommer dieses Jahres mußten der Gemeinde Vorsteher Druffelsmeyer in Druffel und der Gemeinde Vorsteher Stellvertreter Franz Stroop ihr Amt niederlegen, weil beide Wirthe waren. Nach der Landgemeinde-Ordnung können Wirthe nicht Vorsteher sein.


1877

Der Lehrer Menne wurde nach Petershagen versetzt und kam in deßen Stelle die Lehrerin Catharina Bäumker aus Iburg.

Die Bevölkerung hat sich leicht vermehrt, da einige Familien aus dem Bergischen wieder zurückgekehrt sind.

Die Geschäftsflaute dauerte auch in diesem Jahre noch fort, und ist daher der Handel eher schlecht wie gut gewesen.
Im ganzen ist das Jahr sehr gut verlaufen und sind besondere Ereignisse nicht vorgekommen.


1878

Mit dem 1ten September 1878 wurden in den Gemeinden hiesiger Pfarre die Standesämter eingeführt, welche bis dahin von Herrn Amtmann Duve in Rietberg fürs ganze Amt geführt waren.
Für die Gemeinden Neuenkirchen und Druffel wurde als Standesbeamter der Gemeinde Vorsteher Ellendorff ernannt, zum Stellvertreter der Kaufmann Arnold Stadler.
Aus der Gemeinde Westerwiehe der Vorsteher Lefeld, als Stellvertreter der Lehrer Gödde, für das Standesamt der Gemeinde Varensell der Gemeinde Vorsteher Hemmersmeyer, als Stellvertreter der Lehrer Vorderbrüggen.

Der Lehrer Luce in Druffel wurde nach Westenholz versetzt und dem Lehrer Heymann aus Mastholte (gebürtig aus Westerloh) die Lehrer-Stelle in Druffel mit übertragen.

Am 11ten September wurde hier das Thierschaufest des hiesigen landwirtschaftlichen Local-Vereins gefeiert. Recht erfreulich war zu sehen, daß mit der Viehzucht ferner ein großer Fortschritt gemacht war, sehr viel schönes Vieh wurde vorgeführt und prämiert. Mit dem Feste war auch eine Verloosung verbunden und die Gewinne vom Vereinsdirector Herrn Mumpro, der sich überhaupt des Festes sehr angenommen, ausgewählt und angekauft. Die Wahl der Gewinne war mit vielem Geschick ausgeführt und gefiel allgemein. Das Fest war aus der ganzen Umgegend sehr besucht und verlief zur größten Zufriedenheit aller Theilnehmer.


1879

Im Juli starb zu Westerwiehe der Lehrer Gödde und wurde im Herbst dem Lehrer Toberons aus Verl, die Lehrerstelle in Westerwiehe weiter übertragen.

Im August entfernte sich heimlich der Lehrer Vorderbrüggen in Varerensell, indem er seine Familie, Frau mit 2 kleinen Kindern hier hinterließ. Derselbe stand im Verdachte, unsittliche Handlungen begangen zu haben.
Ende des Jahres wurde die Lehrerstelle zu Varensell durch den Lehrer Becker aus Sende wieder besetzt.

Wenn auch über einen flotten Geschäftsgang noch nicht berichtet werden kann, so dürften wir uns doch der Hoffnung hingeben, daß sich im Laufe der Zeit die Geschäftslage wieder beßer gestalten würde, indem es im Bergischen wieder reger würde. Auf den Kohlenzechen ging es bedeutend beßer und stiegen die Kohlen 10 bis 12 Mark pr. Waggon. Die Fabriken, namentlich die Eisen- und Gußstahlwerke, fingen flotter an zu arbeiten und stiegen die Eisenfabrikate um 20 bis 30 %. Der Stand des Eisens war aber auch sehr herunter, so daß man die 100 Pfund zu 6 bis 8 Mark je nach Qualität kaufen konnte. Leider sollte dieser Aufschwung jedoch nicht von langer Dauer sein und hielt sich dieser Aufschwung nur ganz kurze Zeit und standen nach einigen Monaten sowohl Kohlen, wie auch Eisen fast wieder auf dem niedrigen Standpunkte.

Mit Angst und Grausen gehe ich nun zum Jahre 1880 über, welches wie man aus der folgenden Chronik ersehen wird, ein Noth- und Schreckensjahr für unsere Gegend und namentlich für unseren Ort war.


>1880

Grossbrand im Dorf Neuenkirchen
Am 29ten April Nachmittags gegen 3 Uhr brach bei sehr heftigem Nordost Winde in der Scheune des Arnold Stadler Feuer aus, welches binnen wenigen Minuten das Stadlersche Wohn- und Nebenhaus ergriff und sich so, ohne daß eine Begrenzung möglich war, auf die Nachbarhäuser ausdehnte. Innerhalb einer Stunde standen 18 Gebäude in Flammen (Wohnhäuser, Scheunen und Stallungen), und brannten binnen 3 Stunden total nieder.
Es brannten ab, das Wohn- und Nebenhaus des Arnold Stadler und deßen Scheune, ferner zwei Wohnhäuser und Scheunen des Wolf Dreyer, das Schulhaus und die Synagoge der israelischen Gemeinde, die dem A. Stadler gehörende Rosenbergsche Scheune, das Wohnhaus und die Scheune des Anton Loewenstein, das Wohnhaus, Brauhaus, Scheune und Stall des Gerhard Hartmann und Wohnhaus und die Scheune des Wilhelm Druffelsmeyer....
Ein so fürchterlich schreckliches Schauspiel, wie diese Feuersbrunst, hatte Neuenkirchen wohl noch nie erlebt und wolle es der liebe Gott verhüten, daß sowas in Neuenkirchen, nie wieder vorkommen möge.


1881

Im October starben der Kaufmann Anton Stroop, früher lange Jahre Gemeinde Kaßen Rendant und der Kaufmann Wilhelm Dieckhoff, welcher lange Jahre zur Neuenkirchener Gemeinde Versammlung gehörte. Beide Todesfälle wurden allgemein sehr bedauert, um so mehr, da beide noch im besten Mannesalter standen. 

Leider war auch in diesem Jahre das Geschäft ein sehr gedrücktes, indem unter den Landleuten, der schlechten Erndten wegen, eine große Geldverlegenheit herrschte und nur das aller Nothwendigste gekauft werden konnte. Rindvieh und alte Pferde waren im Herbst ganz unter Preis. Schweine jedoch, sowohl magere wie fette, und namentlich Ferkel, waren das ganze Jahr hindurch sehr gesucht und theuer. Ferkel kosteten durchschnittlich 15 Mark pro Stück und fette Schweine 39 bis 42 Mark pro 100 Pfund Lebendgewicht.

Am 9ten September wurde die neue israelitische Synagoge eingeweiht und am 10ten September war im Gasthause des Wilhelm Druffelsmeyer zur Feier dieses, für die Synagogen Gemeinde, freudigen Ereignißes, ein großes Fest, Festeßen, Concert und Ball, woran die Synagogen Gemeinde und auch viele Auswärtige Antheil nahmen.

Die Erndte war schlecht, so daß fremdes Korn und rußischer Roggen von guter Qualität eingeführt werden mußten, desgleichen französischer Silberbuchweizen und Futtergerste aus der Donau Gegend und stillten den Ausfall der hiesigen missglückten Erndte. Daß mancher Landmann und Heuerling durch diese miesen Jahre hinter einander stattgefundenen Mißerndten, in seinen Vermögensverhältnißen stark herunter gekommen ist, bedarf wohl keiner weiteren Erwähnung.


>1882

In den Geschäften blieb es auch in diesem Jahre ohne besonderen Aufschwung, da die Bauersleute, wegen der schlechten Erndten in den letzten Jahren, sich auf das Allernothwendigste beschränken mußten.

Die Erndte war sehr mittelmäßig..... Wenn nun auch eben der Ausfall der Erndte nicht so groß wie in den Jahren vorher gewesen, so mußte doch viel fremdes Korn und namentlich Futtersachen eingeführt werden.


1883

Die Kaplanei-Stelle, welche über ein Jahr unbesetzt war, wurde gegen Ostern dem Seminarpriester Conrad Obermeyer, gebürtig aus Liemke, Pfarre Kaunitz, übertragen. 

In diesem Jahre 1883 wurde hier eine freiwillige Feuerwehr gegründet.


1884

Im December ertrank der Tagelöhner Otto Körkemeyer in einem Graben auf dem Diekampe. 

Im November kosteten:

200 Pfund Roggen 15,00
Buchweizen 15,50
Hafer 13,00
Gerste  13,00
Weizen  16,50
Stroh pro 100 Pfund 2,10
Heu 2,50

1885

Am 20. Februar brannte in Varensell, das Colonatshaus des Colons Wiemann ab.

Am 7. Januar brannte das der Minnorennen Diekämper gehörende, an der Gütersloher Chaussee liegende Haus ab.


1886

Es bliebe nachzutragen, daß im Jahre 1885 eine Spar- und Darlehnskasse gegründet wurde. 

Am 11. Februar verunglückte der Colon Heinrich Ottomeyer zu Varensell mittelst eines Falles durch die offene Bodenluke auf die Tenne, worauf er nach 1/2 Stunde seinen Verletzungen erlag.

Verurteilt wurden:
Durch Erkenntniß des Königlichen Schöffengerichts zu Rietberg am 25 Januar der Stellmachergesell Ferdinand Hollenhorst zu Neuenkirchen wegen schwerer Körperverletzung zu 2 Monaten Gefängnis.
Der Kötter Arnold Lange zu Westerwiehe vom Landgericht zu Bielefeld am 12. Februar zu 1 Monat Gefängnis wegen Körperverletzung.
Durch Erkenntniß der Strafkammer des Landgerichts zu Bielefeld der Korbflechter Heinrich Kleinemeier zu Westerwiehe zu 14 Tagen Gefängnis wegen Bedrohung mit einem Verbrechen und Körperverletzung.
Der Heuerling Johann Strohmeier zu Varensell wegen öffentlicher Beleidigung des Vorstehers Großegeße zu Varensell im November mit 4 Wochen Gefängnis.

Der Pfarrer Austrup ließ am hiesigen Krankenhause eine Badeanstalt errichten, wozu ihm von der Gemeinde Neuenkirchen 100 Mark und von den übrigen Gemeinden ein entsprechender Betrag bewilligt wurde. Der Herr Patron, Grafschaftsbesitzer Tenge zu Rieberg schenkte 120 und Herr Regens Bartscher, Paderborn, 100 Mark zu diesem Zwecke.
In der Pfarrkirche wurde zum Andenken an das 50jährige Pfarrerjubiläum des Herrn Pfarrers Austrup von den Pfarreingesessenen ein neuer Marienaltar mit einem gemalten Kirchenfenster beschafft, dessen Kostenpunkt sich auf 1.400 Mark stellte.
Ebenso wurde die seit längeren Jahren defecte mittlere Turm-Glocke vom Glockengießer Lohmeier in Gütersloh umgegossen. Die Kosten hierzu mußten zu 2/3 vom Kirchenpatron, Herrn Tenge, gezahlt werden, während das letzte Drittel von Herrn Pfarrer Austrup aus Geschenken, welche ihm seine, nach Amerika ausgewanderten, früheren Pfarrkinder dargebracht hatten, beschafft wurde.

Am 8. August spendete hier der Hochwürdigste Herr Bischoff Dr. Köpp von Fulda den Firmlingen der Kirchspiele Neuenkirchen und Rietberg das Sacrament der Firmung. Tags vorher wurde der Hochwürdigste Herr von der Grenze des Kirchspiels bei Krax in Varensell feierlich abgeholt. Des Abends wurde ihm ein Fackelzug gebracht, an welchem sich gegen 300 Fackelträger beteiligten. Nachdem unter der Leitung des Herrn H. Mumpro einige Lieder vorgetragen worden waren, hielt Landwirth Humann die Festrede, worauf der Herr Bischoff seinen Dank aussprach. Nach Beendigung der kirchlichen Feier, fand im Pastorat ein kleines Festessen statt, worauf der Hochwürdigste Herr in feierlichem Zuge nach Rheda geleitet wurde.

Am 5. September feierte unser hochwürdiger Herr Pfarrer Anton Victor Austrup sein 50jähriges Pfarrer-Jubiläum. Des Morgens 9 Uhr war der Festgottesdienst, Herr Vicar Aldejohann aus Westerwiehe hielt die Festpredigt. Des Nachmittags 1/2 2 Uhr fand in der Wirtschaft des Herrn Anton Stroop ein Festessen mit ca. 70 Gedecken statt. Abends 1/2 8 Uhr begann die Illumination des Kirchhofes. Dann setzte sich ein glänzender Fackelzug von etwa 300 - 350 Fackelträgern in Bewegung. Vor dem Pastorat wurden unter der Leitung des Herrn Mumpro einige Lieder vorgetragen, und hielt dann der frühere Vorsitzende des Kirchenvorstands, Landwirth Humann, die Festrede, worauf der Herr Jubilar sichtbar gerührt seinen Dank aussprach.


1887

Der wegen seiner Haltung im Kulturkampfe im Jahre 1875 aus dem Amte geschiedene Gemeinde-Vorsteher Humann zu Neuenkirchen wurde von der Gemeinde-Vertretung wiederum für den Zeitraum von 6 Jahren, beginnend am 1. April d. J. zum Gemeinde Vorsteher und Standesbeamten gewählt und von den betreffenden Aufsichtsbehörden bestätigt. Zum Stellvertreter desselben als Gemeinde Vorsteher wurde der Auktionator Joseph Stroop, zum Stellvertreter als Standesbeamter der Kaufmann Franz Stroop gewählt.. 

Am 31. Januar brannte die Brennerei der Ww. Dieckhoff zu Neuenkirchen partiell ab. Dem raschen Eingreifen der hiesigen Feuerwehr und dem Umstande, daß die Dächer keine Strohdocken enthielten war es zu zuschreiben, daß dem weiteren Umsichgreifen des Feuers Einhalt gethan und die Hauptgebäude gerettet werden konnten.

In dem Jahr erhielt die Chaussee von Neuenkirchen nach Rietberg eine neue Decklage aus Warsteiner Hartsteinen, welche die Gemeinde 10.000 Mark kosteten, wovon jedoch 5.000 Mark vom Kreis erstattet wurde.

Der Knecht Heinrich Pove zu Neuenkirchen wurde durch Erkenntniß des Landgerichts zu Münster wegen Betrugs und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
Der Bildhauer Christoph Kleinetobulte zu Druffel wurde durch Erkenntnis des Amtsgerichts zu Nürnberg wegen Bettelns und Landstreichens zu 12 Tagen Haft verurteilt.
Der Colon Heinrich Kreuzheide zu Neuenkirchen ist durch Erkenntnis des Schöffengerichts zu Rietberg wegen Jagd-Contravention zu 15 M. Geldstrafe event. 3 Tage Haft verurteilt.


1888

Am 9.Maerz d. J. starb im Kgl. Schlosse zu Berlin nach nur kurzer Krankheit an den Folgen von Altersschwäche Sr. Majestät, der Deutsche Kaiser und König von Preußen Wilhelm 1..
Seine Erhebung zum Deutschen Kaiser in Folge der Ereignisse von 1866 und 1870/71, sowie sein Leben und Wirken nach Innen und Außen gehören der Geschichte an und können in dem engen Raume einer Lokalchronik keine Erörterung finden.
Sein Sohn Friedrich, Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen, trat unter dem Namen Friedrich III. als Deutscher Kaiser und König von Preußen die Regierung an. Derselbe litt schon seit längerer Zeit an den Folgen eines Halsübels, wogegen er vergeblich in San Remo in Italien Heilung gesucht hatte. Dasselbe gestaltete sich aber immer mehr zu einem unheilbaren Krebsschaden, und schon am 15. Juni, nach einer Regierung von 99 Tagen, beschloß der im besten Mannesalter stehende Monarch sein vielversprechendes Leben.
Groß und tief war die Trauer in ganz Deutschland und selbst über die Grenzen hinaus über den Heimgang dieses Herrschers, von dessen Regierung man namentlich für eine gesunde freiheitliche Entwicklung Deutschlands großes erwartet hatte.
In noch jugendlichem Alter von 29 Jahren trat der älteste Sohn des Entschlafenen unter dem Namen Wilhelm II. als Deutscher Kaiser und König von Preußen die Regierung an. Auf ihn sind nicht allein die Hoffnungen Deutschlands, sondern namentlich auch des verbündeten Oesterreichisch-Ungarischen Reiches gerichtet.

Am 6. November 1888 wurde der Landwirth und Gemeinde Vorsteher Humann zu Neuenkirchen mit 397 gegen 3 Stimmen zum Landtagsabgeordneten für den Wahlkreis Paderborn, Büren und Wiedenbrück für die Landtagsperiode 1888/89 bis 1892/93 gewählt.

Der Lehrer Heinrich Loer zu Westerwiehe wurde von dort nach Herzebrock versetzt und die Verwaltung der 2. Lehrerstelle zu Westerwiehe vom 1. October ab dem Schulamts-Bewerber Ferdinand Wagener zu Wiedenbrück provisorisch übertragen.

Nachdem nach dem Tode des Kgl. Landraths Bexel zu Wiedenbrück das Landrathsamt, das der Reihe nach durch die Kgl. Landräthe Düsberg, Schmitz und den commissarischen Landrath von Danning für kürzere oder längere Zeit war verwaltet worden, wurde dassselbe nach vorgängiger commissarischer Verwaltung dem Amtsrichter Osterrath, welcher sich im hiesigen Kreise angekauft hatte, definitiv übertragen.
Unter dessen Verwaltung trat mit dem 1. April 1887 die neue Kreisordnung ins Leben, welche dann namentlich auch den Abgang und die Pensionierung des bisherigen Amtmanns Duve zu Rietberg herbei führte. Die Verwaltung der Amtmannstelle zu Rietberg wurde dem Kgl. Hauptmann a. D, Herrn Freiherrn von Ehrensdorff vorab commissarisch und dann in diesem Jahre definitiv verliehen.
Das Gehalt desselben wurde nach Anhörung der Amtsvertreter auf 2.400 Mark und die Dienst-Unkosten für denselben auf 1.500 Mark durch den Kreis-Ausschuß festgesetzt.

In der Gemeinde Neuenkrchen fungierten in diesem Jahre neben den bereits im vorigen Jahrgange erwähnten Gemeinde Vorsteher und dessen Stellvertreter folgende Herren als Gemeinde-Verordnete:

  1. Kaufmann Stadler,
  2. Kaufmann Joseph Ellendorff,
  3. Christoph Bollweg,
  4. W. Druffelsmeier,
  5. Kaufmann Franz Stroop,
  6. Kaufmann Simon Porta,
  7. Colon Heinr. Schellert,
  8. Colon Franz Heße,
  9. Meier Joh. Westhoff. 

Der Handel blieb derselbe. Nur der Häuserhandel gewann immer mehr an Ausdehnung und wurde an manchen Orten eine Plage für die Landwirthe. 

Am 30. März 1888 ist die Wittwe Margaretha Lüttkemeier geborene Henke aus Kauritz 73 Jahre alt in einem Wassergraben in Varensell ertrunken aufgefunden worden.

Am 17. April d. J. ertrank die Louise Graute, Tochter des Kötters Heinrich Graute zu Westerwiehe in einem Wassergraben.

Am 21. Juni d. J. wurde die Maria Körkemeier, Tochter des Kötters Heinrich Körkemeier zu Neuenkirchen ertrunken aufgefunden.

In der Gemeinde Neuenkirchen wurde in diesem Jahre ein neues Armenhaus gebaut, welches die Gemeinde ca. 1.800 Mark kostete.


1889

Die durch den Abgang des Lehrers Wiethäger [ frei gewordene Stelle ], welcher nach Verne versetzt wurde, kam in die erste Lehrerstelle in Neuenkirchen, der Lehrer Anton Ikenmeier aus Verne.

Es verdient bemerkt zu werden, daß die in der Chronik pro 1888 erwähnten Gemeinde-Vertreter Meier B. Ostberg zu Varensell und der Meier Johann Westhoff zu Neuenkirchen wegen Verschwendung entmündigt und aus den Gemeinde Vertretungen ausgeschieden sind.

Die Brennereien und Branntwein Geschäfte klagten immer mehr über schlechte Geschäfte wegen der hohen Branntweinsteuer und zunehmender Konkurrenz.
Vieh- und Fleischpreise zogen erheblich an.

Der Heuerling Heinrich Laustroer und die Gertrud Heyhaus, beide zu Varensell sind durch Erkenntniß des Kgl. Landgerichts zu Bielefeld vom 4. September d. J. wegen Sittlichkeitsvergehens mit 4 resp. 3 Monaten Gefängnis bestraft.

Die vor etwa 20 Jahren aus Anröchter Kopfsteinen hergestellte Dorfstraße hiesigen Ortes wurde in diesem Jahre mit einem Kostenaufwand von 8.000 Mark mit Osnabrücker bezw. Pisberger Kopfsteinen in der Mittelbahn neu gepflastert und mit dem alten Material die Seitenrinnen ausgebessert.
Zu diesen Kosten wurde vom Kreise 1.800 Mark hergegeben, während die Provinz es abgelehnt hatte, einen Beitrag zu geben.

Abschrift aus den Akten des Amtes Rietberg:

Freiwillige Feuerwehr Neuenkirchen  

Neuenkirchen 19. September 1889

In Beantwortung Ihres geehrten Schreibens vom heutigen Tage, über das nicht ausrücken der Feuerwehr zum Meier Beckhoffschen Brande, theile ich mit, das ich zur der betreffenden Stunde als der Brand entstanden ist, noch mit meiner Familie in Friedrichsdorf wahr. Und den Brand erst wahrnahn als wir auf dieseits Verl kamen. Die Brandstelle sah aber so verschwommen und entfernt aus, daß eine Distanze nicht festzustellen wahr.
Gegen 10 Uhr kamen wir zu Hause an, da wurde gesagt, das der Brand bei Meier Beckhoff gewesen wäre. Die Feuerwehr wäre schon um 7 1/2 Uhr angetreten gewesen, hätten aber keinen Pfärde Besitzer zum Spritzen Fahren bewegen können. Ellendorff hätte das thun wollen, und auch die Pfärde schon aus dem Stalle gehabt, hätte aber bei den jetzigen sandigen Wegen nicht allein vorspannen wollen. Prokurist Happe hingegen hätte sich geweigert mit den Worten, er wolle die Pfärde vor die Spritze nicht abtreiben. Stadler hatte sich entschuldigt, er hatte keinen Knecht zu Hause. Somit hat es mich geschienen, das die Herrn Pfärde Besitzer die Interesse ihrer Pfärde mehr beachten als das Unglück eines Nebenmenschen, somit hatte die Feuerwehr von einen auf den anderen gewartet, und ist von einem zum anderen gelaufen ohne was zu erzielen und um 9 Uhr vom Stellvertr. Hauptmann F. Körkemeier entlassen worden.

Dies als richtige Tatsache zu meinem  (unleserlich!).

gez. Chr. Bollweg
Hauptmann der Freiwilligen Feuerwehr


1890

Die durch den Tod der Lehrerin Wibbe erledigte Lehrerinnenstelle zu Westerwiehe wurde bis zum December d. J. von der Schulamtsbewerberin Agnes Böhnert verwaltet.

Der Fabrikarbeiter Georg Jungeilges aus Neuenkirchen wurde wegen Raubes mit 6 Jahren Zuchthaus durch Erkenntnis des Kgl. Landgerichts zu Münster verurteilt.

Der Kötter Anton Linnemann zu Westerwiehe und der Ziegler Heinrich Oesterdiekhoff wegen unberechtigter Ausübung der Jagd zu einem, bzw. zu zwei Tagen Haft verurteilt. 

[...]ungewöhnlich viele Niederschläge. Vom 23. November früh bis zum Mittag des 24. November regnete es ununterbrochen fort, wodurch eine große Flut entstand. Der Wasserstand erreichte wie in den großen Strömen so auch in unseren Flüssen und Bächen eine seit Jahrzehnten nicht da gewesene Höhe.
Der gleich darauf, am 25. November nach Norden umschlagende Westwind brachte scharfen Frost und Schneefall. Auf fast allen Wiesen und den niedrig belegenen Feldern bildete sich eine starke Eisdecke.
Im December dauerte das Frostwetter ununterbrochen fort und die Kälte stieg abwechselnd bis zu -18° R..[-22,5° C]

Die Kartoffeln waren in Folge des zu nassen und kalten Sommers überall nur höchst mittelmäßig geraten, ebenso die Knollengewächse, namenlich Wurzeln, Steckrüben usw.. Besser standen die Stoppelrüben, infolge der guten Witterung des September und October, konnten jedoch bis zum Beginn des strengen Winters am 25. November nur teilweise nutzbar gemacht werden. Dieselben waren dann, wie auch manche andere noch nicht eingeheimsten Knollengewächse bei der überaus strengen Kälte unter der Schnee- und Eisdecke erfroren.

Es mag nachträglich erwähnt werden, daß die hier bestehende und zuletzt durch den Kaufm. Josef Stroop verwaltete Postagentur im vorigen Jahre in ein Postamt III. Klasse verwandelt wurde. Nach vorausgegangener kürzerer Verwaltung durch den Post-Assist. Voßwinkel wurde dieselbe dem Postverwalter Schiermeyer aus Lintel übertragen.


1891

Am 22. Januar d. J. verstarb zu Neuenkirchen im Alter von 77 Jahren der Küster und frühere Lehrer Heinrich Mumpro. Die hiesige Küstereistelle hat derselbe seit dem Jahre 1834, also länger als 56Jahre verwaltet
Besonders verdient gemacht hat er sich durch die Gründung des hiesigen landwirtschaftlichen Local Viehversicherungs-Vereins für die Ämter Rietberg, Delbrück und Verl, welcher noch heute besteht. Auch verdient hervorgehoben zu werden, daß er seiner Zeit den Lehrerdienst an der Schule zu Neuenkirchen quittierte, ohne Pensions-Ansprüche an die Gemeinde zu stellen.

Am 27. August d. J. verstarb ebenhier der hochwürdige Herr Pfarrer Anton Victor Austrup, nachdem er länger als54Jahre der hiesigen Pfarre vorgestanden (eingeführt am 2. Maerz 1837).
Besonders durch sein eifriges Wirken in der Seelsorge und namentlich auch durch seinen nüchternen Lebenswandel und durch seine Bestrebungen zur Herrichtung des hiesigen Krankenhauses in seiner jetzigen Gestalt, hat er segensreich gewirkt.
Zum Pfarrverweser der hiesigen Pfarre wurde Herr Kaplan Obermeier, welcher bereits seit Ostern 1883 die hiesige Kaplaneistelle verwaltet, ernannt.

Verurteilt wurde durch Erkenntnis des Schwurgerichtes zu Bielefeld vom 27. Okt. d. J. der Johannes Schniedermeier aus Varensell wegen Sittlichkeitsverbrechens mit 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus.

Der Kötter Balthasar Merschmann aus Westerwiehe verurteilt durch Erkenntnis der Strafkammer beim Kgl. Landgericht zu Bielefeld am 17. Juli d. J. wegen Diebstahls im wiederholten Rückfall mit 1 Jahr Zuchthaus.

In der Gemeinde Westerwiehe wurde in diesem Jahre eine neue Schule mit einem Kostenaufwand von 12.000 Mark erbaut, wozu die Kgl. Regierung aus Staatsmitteln 9.000 Mark beitrug.

Besonders wird das Unwetter vom 1. Juli d. J. wohl noch für viele Gegenden Deutschlands für lange Jahre die trübseligsten Erinnerungen wachrufen. Die ältesten Leute wissen sich ähnlicher und so weit verbreiteter Elementarereignisse, wie sie an diesem Tage statt gefunden, nicht zu erinnern. 

Hagelschlag, wolkenbruchartiger Regen, orkanartige Stürme wechselten in weitem Umfange von der Eifel bis nach Schlesien mit einander ab. In hiesiger Gemeinde hatte namentlich der Sturmwind an den Feldfrüchten und auch an einigen Gebäuden Schaden angerichtet.


1892

An Stelle des am 27. August v. J. verstorbenen Pfarrers A. V. Austrup wurde der bisherige Pfarrer von Blankenstein a/R., Herr W. Lübbert, nach vorhergegangener Präsentation seitens des Herrn Patrons am 31. October v. J. vom Hochw. Kapitular-Vikar zum Pfarrer von Neuenkirchen ernannt und am 25. November v. J. als solcher investiert. Am 27. April d. J. wurde der neue Pfarrer Wilhelm Lübbert hier eingeführt. Dieser Tag gestaltete sich für die ganze Pfarre zu einem Festtage. Morgens 9 Uhr wurde der Hochw. Herr in feierlicher Prozession von der Hochw. Geistlichkeit und vielen Pfarreingesessenen von der Grenze der Gemeinde, der sog. "Steinernen Brücke" abgeholt. Vor der Kirche angekommen, wurden ihm die Kirchenschlüssel überreicht. Mit dem Danke des Herrn Pfarrers für den freundlichen Empfang, fand die kirchliche Feier ihren Abschluß. Mittags fand im Hotel Druffelsmeyer ein Festessen statt, mit etwa 70 Gedecken, woran von den Auswärtigen namentlich die Geistlichkeit der Nachbarpfarren, sowie Deputationen aus Steinheim und Blankenstein, den früheren Wirkungskreisen des Herrn Pfarrers teilnahmen.

Am 7. September feierte der hiesige Landwirtschaftliche Verein sein 25jähriges Jubiläum verbunden mit Prämiirung von Vieh, landw. Producten und Geräten. Nachmittags fand die übliche Verloosung statt.

Am 9. September spendete der Hochw. Herr Weihbischof Dr. Aug. Gockel von Paderborn das Sakrament der Firmung.
Anderntags wurde der neue Hochaltar in der Pfarrkiche feierlich consecriert.
Am folgenden Tage wurde die neue große Glocke eingeweiht.


1893

Im Mai wurde der Deutsche Reichstag wegen Ablehnung der Militärvorlage aufgelöst. Bei der am 15. Juni stattgehabten Neuwahl fielen auf den Landtagsabgeordneten und Gemeindevorsteher Humann zu Neuenkirchen als Candidaten des Centrums, 6.230 Stimmen, während der Candidat der vereinigten freisinnigen und national-liberalen Partei 8.636 Stimmen erhielt.
Bei der am 24. Juni stattgefundenen Stichwahl wurde nach erbittertem Wahlkampfe, worin sich auf der Gegenseite besonders die Stadt Gütersloh hervorthat, der Candidat des Centrums, Landtagsabg. Humann hierselbst mit 12.163 gegen 10.111 Stimmen zum Reichstagsabgeordneten gewählt.
Am 28. November wurde der Reichstagsabgeordnete Humann hierselbst einstimmig zum Landtagsabgeordneten für die Periode 1893/98 wiedergewählt.

Heinrich Humann

Ein Erlebnissbericht zur Weltausstellung in Paris 1867

Der langjährige Ortsvorsteher von Neuenkirchen und Reichstagsabgeordnete Heinrich Humann hat seine Erinnerungen in einem handgeschriebenen Buch auf 140 Seiten hinterlassen. Erstaunlich sind Humanns präzise Detailaufnahmen und seine kritischen Anmerkungen. Manches erscheint auch in unseren Tagen noch hochaktuell, wie etwa das Bild des pflügenden arabischen Bauern mit gelandenem Gewehr über der Schulter. Heinrich Humann steht 1867 in seinem dreißigsten Lebensjahr. Im ganzen erstaunt den Leser, wie distanziert und vorausschauend Heinrich Humann die Ereignisse von Paris betrachtet.

Von meinem Besuche der Pariser Weltausstellung zurückgekehrt, faßte ich bald den Entschluß, die unter den "Wunderwerken" des Marsfeldes empfangenen Eindrücke, sowie die verschiedenen einzelnen Erinnerungen, so gut wie es meinen schlichten Kräften möglich, auf´s Papier zu bringen und so mit den in mein Tagebuch gezeichneten Notizen in einen harmonischen Einklang zu bringen. Denn nur dadurch - so sagte ich mir - wird man die Erinnerung an so verschiedene interessante Details zur bleibenden machen und für verlorene Zeit, Mühe und Geld entschädigt werden. [...]

Aus dem Schlußwort: 
Die Weltausstellung von 1867 auf dem Marsfelde zu Paris kann mit Recht als ein großes, ja vielleicht als das größte aller Weltwunder betrachtet werden. Birgt doch das ganze, das schon in seiner äußeren Physiognomie fast ein Wunder zu nennen, so zu sagen auch noch alles das in sich, was des Menschen erfinderischer Geist auf dem Gebiete der Wissenschaft und der Kunst zu schaffen vermochte.

Um hierauf noch dem gewonnenen Resultate zur Nutzanwendung zu gelangen, schließen wir daraus auf die Zukunft. Wenn nun - die Frage wollen wir uns vorab stellen - die industrielle Entwicklung in demselben Maße fortschreitet, wie in den letzten Decenien, muß uns da nicht schwindelig werden bei dem Gedanken: Wozu werden wir es nach 10, nach 20 oder längeren Jahren gebracht haben? Die reichste Pfantasie reicht nicht, die Wunder der Zukunft vollständig auszumalen, wäre es uns gegeben, gerne möchten wir sie besingen, die Wunder sowohl als die Zukunft. 

Aber, so wie alles nach den ewigen Gesetzen der Natur seinen Höhepunkt erreicht und wieder zurückgeht, so sagt uns die gesunde Vernunft, daß auch die industrielle Entwicklung unmöglich fortschreiten kann, wie in den letzten 30 Jahren. Und wenn wir dann noch deren Schattenseiten ins Auge fassen, so werden wir nicht allein der Prosa zurückgegeben, sondern sogar in eine trübe Stimmung versetzt - ist es doch gerade die industrielle Entwicklung, welche in Verbindung mit der modernen Volkswirtschaft den gräulichsten Egoismus des Kapitals, die Anhäufung der Geldmacht in wenigen Händen fördert und so zu dem nacktesten Materialismus führt, dem sich nur sehr bald der Atheismus zugesellt. 

Eine allgemeine Demoralisation, welche zumeist in den höheren Sphären beginnt und sich bis in die untersten Klassen, welche endlich den Kampf um ihre Existenz aufnehmen, unter verschiedenen Formen fortpflanzt, ist die unausbleibliche Folge. Es muß ein Zustand entstehen, der nur Unheil und Verderben in seinem Schoße trägt. Ist nun die Logik des Gesagten unzweifelhaft, so gelangen wir notwendig zu folgender Schlußfolge: Abgesehen davon, daß die industrielle Entwicklung usw., schon an und für sich nicht immer mit Riesenschritten vorwärts gehen kann, wie in jüngster Zeit, muß sie auch schon ihrer Selbsterhaltung wegen auf soliden Grundlagen beruhen, d. h. sie darf nicht dem nackten egoistischen Materialismus ausschließlich dienen und dadurch den Atheismus und die allgemeine Demoralisation fördern, soll sie nicht bei allen Fortschritten auch schon die Elemente zu ihrem Untergange in ihrem Schoße bergen. 


Beispiele, daß ein Rückschritt nicht allein möglich, sondern mehr als einmal stattgefunden, haben wir geschichtlich an den großen Völkern des Altertums, und in dem Lande, wo einst Milch und Honig floß, in dem Lande, worauf auch wir den Ursprung unserer Civilisation zurückführen müssen, da geht jetzt der arabische Bauer, die geladene Flinte auf dem Rücken, hinter seinem Pfluge, um sich vor Raubüberfällen zu schützen.


Wie weit sich die Menschheit bereits von dem höchsten und heiligsten Geboten des Christentums entfernt, das zeigt uns namentlich ein Industriezweig, der nicht allein mit allen anderen gleichen Schritt gehalten, sondern sie geradezu übertroffen hat, nämlich der, der allerfurchtbarsten Mordinstrumente. 

Selbst hier in der Ausstellung, wo man von Frieden und internationalen Verbindungen spricht, bilden die vielen Kanonen-Ausstellungen einen eigentümlichen Contrast, und ist es nicht gerade jetzt die Soldateska, die sich alles dienstbar zu machen droht?

Dem Lehrer Johannes Heinemann aus Siddinghausen wurde die Verwaltung der Lehrerstelle bei der katholischen Volksschule in Varensell vom 1. August ab provisorisch übertragen.

Nachdem bereits im vorigen Jahre die hiesige Pfarrkirche eine neue große Glocke erhalten hatte, dieselbe wiegt ca. 40 Centner und ist eine der größten im Kreise Wiedenbrück, wurden in diesem Jahre noch 2 neue kleinere Glocken beschafft. Um Aufbringung der hierzu nöthigen Geldmittel hat sich besonders der Herr Kaplan Obermeier verdient gemacht.

Im Handel und Verkehr sind nennenswerthe Fortschritte nicht zu verzeichnen.

Obwohl seit den Jahren 1876 u. 1881, wo die Chaussee-Verbindungen mit Rietberg bzw. Gütersloh und Verl geschaffen wurden, der Verkehr sich einigermaßen gehoben hat, so ist es doch der Mangel an jeglicher Eisenbahnverbindung, der den meisten Geschäften es erschwert, mit anderen günstiger gelegenen Orten concurrieren zu können.

Die Roggensaat war im allgemeinen gut durch den Winter gekommen und erholte sich nach der voraus gegangenen großen Dürre infolge der mäßigen Niederschläge in der letzten Hälfte des Monats Mai so zusehends, daß die Erndte dieses Jahres sowohl was Stroh, als auch was Körnerertrag anlangt, überall eine gute zu nennen ist.
Ebenso waren auch die Kartoffeln überall sehr gut gerathen.
Gänzlich mißrathen bzw. vertrocknet waren die Hafersaaten.
Flößwiesen lieferten gute Erträge, dort wo es nicht an Wasser mangelte.
Überall waren die Heupreise sehr hoch und war gutes Heu bis in den Herbst hinein für 5 Mark pro in nothleidende Gegenden des Rheinlands verschickt.
Die Ausfuhr nach Frankreich war verboten, obwohl hier ebenfalls großer Mangel herrschte und die Preise noch höher standen.


1894

An dieser Stelle mag nachträglich erwähnt werden, daß der am 11. Juli 1893 im hiesigen Krankenhause verstorbene Schäfer Johann Anton Johammersmann aus Herzebrock dem hies. Krankenhause außer namhaften Summen, die er demselben schon zu Lebzeiten übergeben hatte, ein testamentarisches Legat von 4.000 Mark vermachte. Hierdurch wurde es möglich das Krankenhaus in seiner jetzigen Gestalt aufzubauen. 

Auf Anregung des hiesigen landwirtschaftlichen Bezirksvereins wurde in diesem Jahre auf den Grundstücken des hiesigen Pastorates bzw. der von dem Kaufmann Franz Stroop hierfür geschenkten Parzelle eine Dampfmolkerei errichtet. Um das Zustandekommen derselben hat sich besonders Herr Kaplan Obermeier, namentlich bei Beseitigung der vorhandenen Gegenströmungen verdient gemacht.

Die Genossenschaft wurde am 15. April mit 90 Genossen begründet, der Vorsitz dem Landwirth Humann übertragen und Herr Kaplan Obermeier zu dessen Stellvertreter bestellt.
Bereits am 15. November wurde der Betrieb mit einem täglichen Milchquantum von 2.500 Litern eröffnet, welches sich in kurzem auf 4.000 Liter steigerte.
Das nöthige Baukapital hatte der hies. Spar- und Darlehnskassenverein hergegeben, und zwar 15.000 M. zu 3 1/2 und den Rest (ca. 7.000 M.) zu 4 % Zinsen.


1896

Die durch den Abgang des Kaplans Obermeier nach Wattenscheid erledigte Kaplaneistelle wurde dem Kaplan Eberhard Böhmer aus Bruchhausen vom 1. April d. J. ab übertragen.
Aus Anlaß des Abganges des Herrn Kaplan Obermeier wurde demselben am 17. April von den Pfarreingesessenen ein imposanter Fackelzug gebracht.
Der Abgeordnete Humann hielt eine Ansprache, in welcher er dem scheidenden Herrn Kaplan den Dank der Pfarrgemeinde für sein opferwilliges Wirken auf christlich-socialem Gebiete aussprach.

Durch Erkenntnis des Kgl. Schöffengerichtes in Rietberg wurde am 13. 4. der Schulknabe Heinrich Pagenkämper zu Neuenkirchen wegen Diebstahls und Unterschlagung mit 8 Tagen Gefängnis bestraft. 

Der Verbrauch fremden Getreides zu Fütterungszwecken breitete sich in hies. Gegend immer mehr aus, infolge dessen auch der Handel mit demselben.

Bezüglich der Schaffung neuer Verkehrswege sind keine Fortschritte zu verzeichnen.
Der Eisenbahnminister Thielen hatte dem Abg. Humann gegenüber erklärt, daß der Staat, welcher die Linie Paderborn - Brackwede demnächst für sich ausbauen wolle, an dem Bau der Linie Paderborn - Rheda kein Interesse habe, allenfalls aber nicht abgeneigt sei, einer Privatgesellschaft den Bau der erwähnten Linie zu concessionieren.
Die hieraus mit der Westf. Landes-Eisenbahngesellschaft angeknüpften Unterhandlungen haben noch zu keinem Resultate geführt.

Die Ernte diese Jahres war im Großen und Ganzen wiederum eine gute zu nennen. Roggen brachte gute Erträge an Stroh und Körnern, nur hielt es schwer, denselben trocken und ohne Schaden einzubringen.


1897

Am 5. September brannten die in Westerwiehe gelegenen Westersporkmann'schen Kolonatsgebäude (Wohnhaus und Heuerhaus), der Ehefrau Ostberg, geborene Westersporkmann in Varensell gehörend, bis auf die Grundmauer nieder.
Die Gebäude waren bei der Westf. Prov. Feuersocietät zu 9.260, bzw. 2.400 Mark versichert.

Nachdem, wie nachträglich erwähnt werden mag, bereits im Jahre 1895 am hiesigen Pastorate ein An- resp. Neubau vorgenommen war, wurden in diesem Jahr auch an der hiesigen Vikarie größere bauliche Veränderungen vorgenommen.
Zu diesen Bauten hat der Patron einen Beitrag nicht geleistet. Bereits im Vorjahre fanden zwischen dem Patron Tenge und den Vertretern der hiesigen Kirchengemeinde Verhandlungen statt, welche dahin führten, daß ersterer seine Verpflichtungen durch Zahlung eines Kapitals von 15.000 Mark zur Ablösung brachte. Die Schwierigkeiten, welche jedesmal entstanden, wenn ein Beitrag vom Patron gefordert werden mußte und die Thatsache, daß nach neueren Erkenntnissen des Reichsgerichtes und der Praxis der staatlichen Patronate, der Patron zu Neu- und Erweiterungsbauten nicht beitragspflichtig ist haben wesentlich zum Abschluß der Verhandlungen beigetragen.

Am 5. September feierte der hies. Kriegerverein sein II. Stiftungsfest in gewohnter Weise. Der Besuch hatte unter dem schlechten Wetter und dem gerade stattfindenden Brande des Westersporkmannschen Hauses zu leiden. 

Von dem Getreidehändler H. Großekathöfer wurde auf dem Schellerthaus'schen Grundstücke eine neue Dampfmühle und von dem Getreidehändler Ellendorff ebenfalls eine zweite Dampfmühle in Westerwiehe erbaut.
Die Gebrüder Bernhard und Theodor Stadler legten eine neue Brennerei an.

Zwischen den Gemeinden Westerwiehe, Neuenkirchen und Rietberg wurden Verhandlungen angeknüpft wegen des Baues einer neuen Chaussee durch Westerwiehe in der Richtung nach Paderborn mit Abzweigungen nach Neuenkirchen und Rietberg, deren Gesamtkosten zu 62.000 Mark veranschlagt wurden. Der Plan konnte vorläufig nicht zur Ausführung kommen, weil der Kreis Paderborn wegen anderweitiger Verbindlichkeiten die Sache zu verschieben beschloß.
Die Verhandlungen mit der Westf. Landes-Eisenbahngesellschaft betr. den Bahnbau Wiedenbrück – Sennelager nahmen dagegen einen befriedigenden Verlauf. Die von den interessierten Gemeinden geforderten Antheile am Aktienkapital wurden um etwa 100.000 M. überzeichnet. Neuenkirchen betheiligt sich mit 60.000 Mark, während der Kreis 90.000 M. zu zeichnen beschloß.
Es ist zu hoffen, daß der Provinziallandtag in gewohnter Weise die eine Hälfte der Aktien übernimmt und auch bezüglich der staatlichen Concession keinerlei Schwierigkeiten mehr erwachsen werden. 

In der Nacht von 26./ 27. Januar trat außergewöhnlicher Schneefall ein, so daß der Schnee an manchen Stellen, namentlich in niedrigen Wegen über 1 Meter tief lag. 

[...]wenn trotzdem für gutes Heu noch mäßige Preise bis zu 2,80 M. pro Centner erzielt wurden, so ist dies nur ein Beweis dafür, wie sich die Viehzucht und der Viehstand im hiesigen Kirchspiele und der Umgegend immer mehr hebt. Obschon gerade in den letzten 20 - 30 Jahren für den Wiesenanbau hier sehr viel geschehen ist und alle kleinen Eckchen, die früher brach lagen oder mit werthlosem Gestrüpp bestanden waren, zu guten Wiesenflächen umgeschaffen sind, ist an gutem Futter immer noch Mangel vorhanden.


1898

Am 16. Juni d. J. fanden die Neuwahlen zum Deutschen Reichstage für die Wahlperiode 1898 -1903 statt.
Im Wahlkreise Bielefeld - Wiedenbrück wurden folgende Stimmen abgegeben:

Landw. Heinr Humann Neuenkirchen (centrum),8.526
Kaufm. Gustav Ullrich, Stuttgart, 7.892,
Fabrikant Ferd. Bartels, Gütersloh, (Conservativ), 7.489,
und Landw. Hufendieck, Brake i. W., (Christlichsocial), 1.324 Stimmen.

Bei der Stichwahl zwischen Centrum und Socialdemokraten erhielten Landw. Humann in Neuenkirchen 13.916 und Kaufmann Ullrich 8.623 Stimmen.
Heinrich Humannn war somit zum Reichstagsabgeordneten gewählt.

A m 3. November d. J. wurde der Reichstagsabgeordnete Humann zu Neuenkirchen mit allen Stimmen zum Landtagsabgeordneten gewählt.
(für den Wahlkreis Paderborn - Wiedenbrück - Büren, für die Wahlperiode 1898 –1903)

In diesem Jahre wurde die hiesige Kaplanei mit einem Kostenaufwande von ca. 3.000 M. erweitert resp. umgebaut.

Das im Vorjahr über Handel und Gewerbe gesagte trifft auch in diesem Jahre noch zu.

Bezgl. des Chausseebaues durch Westerwiehe sind keine Fortschritte zu verzeichnen.

Was den Bau der projektierten Eisenbahn Sennelager - Wiedenbrück anlangt, so übernahm der Provinziallandtag in seiner diesjährigen Tagung die eine Hälfte der Aktien auf die Provinz. Nach dem Eintreffen der staatlichen Concession wird mit dem Bau der Bahn begonnen werden. 

Im Verlauf des ganzen Winters bildete sich keine ordentliche Eisdecke, was namentlich den Brauereien und auch der hiesigen Molkerei großen Schaden brachte. Letztere mußten sich mit einem nicht unerheblichen Kostenaufwande künstliches Eis von der Brauerei Dittmann in Langenberg beschaffen.


1899

Am 28. Juli feierte der hiesige Kriegerverein sein Stiftungsfest verbunden mit Fahnenweihe. Nachmittags fand ein Zug durch den Ort statt zur Friedenseiche, wo die neue Fahne durch den Landrath Herrn Dr. Engelhard dem Verein übergeben wurde. Die Fahne selbst ist in der Fabrik der Firma Clemens Swiersen-Diepenbrock, Münster, zum Preise von 300 Mark angefertigt worden. Das Fest schloß mit einem Ball in 3 hierzu erbauten Zelten.

Die Chaussee Neuenkirchen - Rietberg erhielt zu einem Drittel eine neue Decklage aus rheinischen Basaltsteinen. Die Bemühungen des Commitees für den Bau einer Eisenbahn von Paderborn nach Rheda haben endlich zum Ziele geführt.
Am 19. December, noch eben rechtzeitig vor Ablauf des mit der Westfälischen Landeseisenbahngesellschaft geschlossenen Vertrages, wurde die staatliche Genehmigung zum Bau der Bahn ertheilt.
An der Aktienzeichnung für die neue Bahn hat sich von sämtlichen Gemeinden des Kirchspiels allein Neuenkirchen betheiligt und zwar mit einem Kapitale von 60.000 Mark. Mit dem Bau der Bahn wird jedenfalls im Herbste nächsten Jahres begonnen werden. 

Es kosteten 1899:

  50 kg
Roggen
50 kg
Weizen
50 kg
Hafer
50 kg
Buchweizen
50 kg
Gerste
50 kg
Heu
50 kg
Stroh
1/2 kg
Rindfleisch
1/2 kg
Butter
April 8,20 8,00 7,80 8,90 6,50 2,40 1,70 0,60 1,00
October 7,50 7,95 7,20 8,20 7,10 2,20 1,50 0,60 1,00

Speck kostete 1/2 kg. 0,75 M.

An Steuern wurden gezahlt:

  Einkommen Grundsteuer Gebäudesteuer Gewerbesteuer Handel
Neuenkirchen 3.129,54 684,15 783,10 1.027,00 7.810,14
Druffel 587,68 938,00 209,00 22,00 2.283,10
Varensell 1.327,64 1.429,19 443,30 70,00 4.541,19
Westerwiehe 1.298,00 1.222,33 403,80 50,00 4.963,19

In der Pfarre Neuenkirchen wurden im Jahre 1899 148 Kinder geboren, getraut sind 38 Paare, gestorben sind 96 Personen.


1900

Am 1. December dieses Jahres fand eine allgemeine Volkszählung statt:

  männlich weiblich gesammt
Neuenkirchen 606 607 1.213
Druffel 310 293 603
Varensell 629 653 1.282
Westerwiehe 604 675 1.279
  2.149 2.228 4.377

Am 1. December d. j. fand eine Vieh- und Obstbaumzählung statt, in Neuenkirchen mit folgendem Resultat:

Pferde

115

Rindvieh 712
Schafe 82
Ziegen 52
Schweine 652
Federvieh 2092
Bienenstöcke 59
Obstbäume 3017

Außer dem von der Gemeinde Neuenkirchen gezeichnetem Aktienkapital von 60.000 Mark wurden, für die Bahn Wiedenbrück - Sennelager, in diesem Jahre noch weitere 15.000 Mark - 5 % Vorzugsaktien gezeichnet zur Beschaffung eines neuen Wagenparks.
Mit dem Bau der Bahn soll erst im nächsten Frühjahr begonnen werden.

In diesem Jahre wurden auch die übrigen 2/3 der Chaussee Neuenkirchen- Rietberg mit einer neuen Decklage aus rhein. Basaltsteinen von der Basalt-Aktienges. Linz a/ Rh. versehen.
Der Gesamtkostenpunkt beläuft sich auf 16.381,25 Mark.


on dem Kaufmann Emil Kemper hierselbst wurde in diesem Jahre an der Chaussee Neuenkirchen - Rietberg auf den Dreisewerd'schen, später im Besitze des C. Meyer sich befindlichen Grundstücken eine Centrifugenfabrik verbunden mit Eisengießerei und Elektrizitätswerk erbaut, welch letzteres die Gemeinden Neuenkirchen und Rietberg auf Grund besonders abgeschlossener Contracte mit 
elektrischem Licht versorgt.
Für die Gemeinde Neuenkirchen ist der Kostenpunkt auf jährlich ca. 175 Mark bedungen.
Oben Eisengießerei um 1905 
zur Verfügung gestellt von Johannes Schröder

rechts Maschinenfabrik und Elektrizitätswerk
um 1905
zur Verfügung gestellt vom Stadtarchiv Rietberg

Seit Anfang dieses Jahres hat sich der praktische Arzt Dr. Klein in Neuenkirchen niedergelassen, und wurde hiermit einem seit Jahren gehegtem Wunsche und Bedürfnisse des Kirchspiels entsprochen.


1901

Gründung der Fleischwarenfabrik am westl. Dorfausgang.

Baubeginn der Bahn Wiedenbrück - Sennelager.

11 neue Häuser wurden in Neuenkirchen gebaut.


1902

Weitere 9 Häuser gebaut.

Der Bahnbau wurde beendet.
Eröffnung am 1. Sept..

Vergrößerung der Pfarrkirche.

Grundsteinlegung am 11. Juli des Klosters Varensell (1901).
Kloster Varensell
Zur Verfügung gestellt von Herrn Schröder

Die feierliche Benediction und Übergabe an die Benediktinerinnen wurde am 10. Juli 1902 durch Herrn Dechanten und Ehrendomherren, Pfarrer von Verl, Ferdinand Kühlmann vorgenommen.

Dechant Kühlmann

Ferdinand Kühlmann wurde als ältester Sohn der Eheleute Johann  Heinrich Kühlmann und Anna Katherina geb. Gassei  am 15. November 1842 in Neuenkirchen geboren. Er hatte noch drei Brüder und zwei Schwestern.

Seine Eltern bewirtschafteten ihren Bauernhof in Neuenkirchen 123 - Lammschneider - nahe der Flurgrenze zur Bauernschaft Westerwiehe. 

Da es zur Schule nach Neuenkirchen recht weit war, besuchte Ferdinand Kühlmann bis Ostern 1856 die Volksschule zu Westerwiehe, empfing bei Schulentlassung die erste hl. Kommunion, studierte am Progymnasium zu Rietberg unter dem späteren Abgeordneten Dr. Rudolphi bis Herbst 1861, dann am Gymnasium zu Brilon, wo er im Herbst 1863 das Abiturientenexamen bestand.

Nach den Studien an der Bischöflichen Lehranstalt zu Paderborn blieb er wegen schwacher Gesundheit von Herbst 1866 bis Ostern 1867 daheim, trat ins Priesterseminar zu Paderborn ein und wurde am 14. August 1868 durch Bischof Conrad Martin zum Priester geweiht; am 21. Oktober 1868 wurde er Cooperator des Pfarrers Hottenrott zu Dinklar bei Hildesheim.

Zum Vikar in Verl wurde er am 24. April 1871 ernannt. Nach dem Tode des Pfarrers Kleine von Verl am 21. Mai 1882 war er Pfarrverweser, bis er auf Präsentation des Kirchenpatrons Friedrich Tenge am 7. September 1886 Pfarrer wurde.

Dechant Laning aus Kaunitz führte ihn am 7. Oktober 1886 ein. Am 21. Dezember 1893 wurde er zum Landdechant ernannt. Die Regierung ernannte ihn am 29. Dezember 1882 zum Ortsschulinspektor für die Pfarren Verl und Kaunitz. Auf Präsentation des Kaisers wurde er am 29. Mai 1897 zum Ehrendomkapitular an der Paderborner Kathedrale ernannt. 

Am 4. Dezember 1904 weihte er die neuerbaute Kapelle zu Sende ein und errichtete 1909 das Krankenhaus zu Verl, worin er seinen Lebensabend zubrachte. 

Ferdinand Kühlmann betätigte sich auch außerkirchlich zum Wohle der Gemeinde Verl. "So fand sich auf Kühlmanns Initiative am 6. Mai 1886 eine kleine Schar mutiger und tatkräftiger Männer zusammen, um den Grundstein für die Spar- und Darlehnskasse zu legen." Vikar Kühlmann übte drei Jahre das Amt des Rendanten aus. 

1912 ist Domkapitular Kühlmann Mitglied des historischen Vereins zum Schutz der Heimat und ihrer Kunst- und Naturdenkmäler. 1920 ist er Gründungsmitglied des Heimatvereins Verl. Am 20. September 1922 hebt Pfarrer Kühlmann die Pfarrcaritas aus der Taufe. 

An staatlichen Auszeichnungen erhielt er 1904 den Roten Adler-Orden 4. Kl., dann 1916 die Rote-Kreuz-Medaille und 1918 das Verdienstkreuz für Kriegshilfe.

Zu seinem Goldenen Priesterjubiläum am 4.August 1918 wurde er Geistlicher Rat, er trug seitdem bei festlichen Anlässen den Pilgerstab mit Kreuz.

Nachdem er wegen seines Alters zum 1. Dezember 1926 das Pfarramt niedergelegt hatte, konnte er noch bei guter Gesundheit am 15. August 1928 sein Diamantenes Priesterjubiläum feiern. Domkapitular Pfarrer  Ferdinand Kühlmann starb am 24. Januar 1929 im St.- Anna- Hospital zu Verl. 

Im Heft 7 der Heimatkundlichen Schriftenreihe des Heimatvereins Verl haben Heinz Müller und Josef Freise ihrem Pfarrer Ferdinand Kühlmann ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Im October feierte die Lehrerin Bäumker ihr 25jähriges Dienstjubiläum.


1903

Es herrschte rege Bautätigkeit:
10 neue Häuser, daneben viele An- und Vergrößerungsbauten an Bauern- und Kötterhäusern.

Die vor 2 Jahren erbaute Centrifugenfabrik des Kaufmanns E. Kemper wurde erweitert (100 Arbeiter).

Im Monat Mai wurde die Teilstrecke Gütersloh-Hövelhof der Teutoburger-Wald-Eisenbahn eröffnet.

Varensell erhielt in der Nähe von Krax eine Haltestelle unter der Bezeichnung "Bahnhof Varensell".

Vikar Biermann erteilt weiterhin 2 Messen in Westerwiehe, sein Bereich erweitert sich auf Copulationen, Taufen und Beerdigungen in der Capellengemeinde.